Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
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Diese Entscheidung

12.10.2018

Kapitalanleger-Musterverfahren ARFB vs. Porsche/VW: Ablehnungsgesuch zurückgewiesen

13 Kap 1/16 18 OH 2/16 Landgericht Hannover Beschluss

In dem Musterverfahren

ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch den Geschäftsführer persönliche Daten entfernt

Musterklägerin,

Prozessbevollmächtigte: TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU

gegen

1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Prof. Dr. Winterkorn, P.A.E. von Hagen u. a., Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,

2. Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,

Musterbeklagte,

Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanwälte Hengeler Müller, Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt, Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117 vl; 628110206 vl

Prozessbevollmächtigte zu 2: Anwaltsbüro Göhmann, Ottmerstraße 1 - 2, 38102 Braunschweig, Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ziemert, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schaffert und die Richterin am Amtsgericht Röhr am 4. Oktober 2018 beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch der Musterklägerin vom 25.09.2018 betreffend die Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Das zulässige Ablehnungsersuchen der Musterklägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet in der vorliegenden Besetzung neben der verbliebenen Richterin des 1. Kartellsenats durch den Vorsitzenden Richter des nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Celle aus dem Geschäftsjahr 2018 zur Vertretung des 1. Kartellsenats berufenen 16. Zivilsenats sowie wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der übrigen Mitglieder des 16. Zivilsenats sowie der urlaubsbedingten Abwesenheit des dienstjüngsten Richters am Oberlandesgericht des 4. Zivilsenats durch die Vorsitzende Richterin des nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Celle aus dem Geschäftsjahr 2018 ebenfalls zur Vertretung des 1. Kartellsenats berufenen 4. Zivilsenats. Die zur Erprobung abgeordnete Richterin des 4. Zivilsenats durfte nach § 29 DRiG nicht bei der Entscheidung mitwirken.

2. Die Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann ist nicht nach § 41 Ziff. 6 ZPO analog von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen. Die hierfür erforderliche Mitwirkung beim Erlass einer mit einem ordentlichen Rechtsmittel angefochtenen Entscheidung ist nicht gegeben. Die Mitwirkung muss gerade bei der durch ein Rechtsmittel nach §§ 511ff., 542 ff., 567ff., 574ff. angefochtenen Entscheidung erfolgt sein, nicht bei einer anderen (Baumbach, ZPO, 72. Auflage, § 41 Rn. 14). Die Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann hat an den Beschlüssen über die Geschäftsverteilung am 01.03. und 01.04.2018 mitgewirkt. Diese Beschlüsse sind nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel angreifbar. Eine analoge Anwendung der Regelung des § 41 Ziff. 6 ZPO auf den vorliegenden Fall kommt nicht in Betracht. Die Regelung des § 41 Ziff. 6 ZPO bestimmt den gesetzlichen Richter näher. Wegen der verfassungsmäßigen Forderung, den gesetzlichen Richter im Voraus möglichst eindeutig zu bestimmen, sind solche Vorschriften einer ausweitenden Anwendung nicht zugänglich (BGH, Urteil vom 20.10.2003, AZ II ZB 31/02, Rn. 6 mit weiteren Nachweisen, zit. nach juris).

3. Das Ablehnungsersuchen ist nicht nach § 42 Abs. 1, 2 ZPO begründet. Nach § 42 Abs. 2 ZPO ist die Besorgnis der Befangenheit des Richters anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen (Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 42 Rn. 8). Als Umstände in diesem Sinne kommen dabei nur objektive Gründe in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit parteiisch gegenüber (BGH NJW 2016, 1022, Rn. 9; NJW-RR 2013, 1211, Rn. 6; MDR 2012, 49, Rn. 5; NJW 2004, 163, Rn. 8; jeweils zit. nach juris).

Nach diesen Maßstäben liegen Ablehnungsgründe nicht vor. Es liegen keine Umstände vor, die den Anschein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit begründen. Die Musterklägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 25.09.2018 keinen schlüssigen Grund für die Ablehnung der Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann dargetan. Ihr Vorbringen rechtfertigt es vom Standpunkt eines ruhig und vernünftig denkenden Verfahrensbeteiligten nicht, an der Unvoreingenommenheit oder Unparteilichkeit der Richterin zu zweifeln. Die vermeintliche Voreingenommenheit der Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann ergibt sich nicht daraus, dass sie an den Beschlüssen über die Geschäftsverteilung ab 01.03. und 01.04.2018 mitgewirkt hat und im Ablehnungsverfahren betreffend den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese und den Richter am Oberlandesgericht Keppler die Frage zu klären wäre, unter welchen Umständen die einzelnen Formulierungen in eben diesen Beschlüssen über die Geschäftsverteilung zustande gekommen sind. Zwar kann die frühere Tätigkeit des Richters in der gleichen oder einer anderen Sache zu einer vorzeitigen „Festlegung“ des Richters führen, die einer unvoreingenommenen Entscheidung der vorliegenden Sache entgegensteht (Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 42 Rn. 15). Diese Grundsätze könnten gegebenenfalls auch auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden, in der gerade keine Mitwirkung an einer mit einem ordentlichen Rechtsmittel angegriffenen Entscheidung gegeben ist. Eine Vorbefassung des abgelehnten Richters mit einem früheren Verfahren der Prozessparteien ist jedoch als solche regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten (BGH, NJW-RR 2017, 189, Rn. 8, zit. nach juris). Begründete bereits die reine Mitwirkung im Vorprozess die Besorgnis der Befangenheit, führte dies auf dem Umweg über § 42 ZPO im Endergebnis zu einer unzulässigen Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 41 ZPO, die aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist (BGH, NJW-RR 2015, 444, Rn. 10, zit. nach juris). Dies muss erst recht gelten, wenn keine Mitwirkung in einem Vorprozess gegeben ist, sondern lediglich die Mitwirkung an der Geschäftsverteilung.

Derartige besondere Umstände, die über die reine Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann an den Beschlüssen über die Geschäftsverteilung ab 01.03. und 01.04.2018 hinaus Zweifel an deren Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung begründen könnten, sind von der Musterklägerin weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich, insbesondere da die Richterin am Oberlandesgericht Meier-Hoffmann weder selbst an der Übersendung der Geschäftsverteilungspläne an die Musterklägerin beteiligt gewesen sein soll noch selbst handschriftliche Änderungen auf den Beschlüssen vorgenommen haben soll.

4. Die Einholung einer dienstlichen Äußerung gemäß § 44 Abs. 3 ZPO der abgelehnten Richterin war vorliegend entbehrlich. Bei nicht schlüssig begründeten Ersuchen kann die Äußerung unterbleiben (MüKo ZPO-Stackmann, 5. Auflage 2016, § 44 Rn. 10, zit. nach beck-online; Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 44 Rn. 4; BGH MDR 2012, 49, Rn. 12, zit. nach juris). Die Musterklägerin hat Umstände, die einen Ablehnungsgrund begründen könnten, nicht schlüssig dargelegt. Allein das von der Musterklägerin monierte Verhalten, nämlich die bloße Mitwirkung an den Beschlüssen über die Geschäftsverteilung ab 01.03. und 01.04.2018, ist aus den vorgenannten Gründen nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.

5. Den weiteren Verfahrensbeteiligten war kein rechtliches Gehör zu gewähren. Die Anhörung des Gegners ist geboten, soweit das Gesuch nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist (Zöller, ZPO, 32. Auflage, § 46 Rn. 3). Der Ablehnungsantrag der Musterklägerin war unschlüssig und damit offensichtlich unbegründet.

II.

Eine Rechtsbeschwerde gegen die das Ablehnungsgesuch zurückweisende Entscheidung des Oberlandesgerichts im Kapitalanleger-Musterverfahren ist nicht gemäß § 574 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 ZPO durch Gesetz zugelassen (vgl. zum bis zum 31. Oktober 2012 gültigen, inhaltsgleichen § 15 KapMuG: BGH, Urteil vom 24. November 2008 - II ZB 4/08, ZIP 2009, 34, juris Rn. 5 ff.). Gründe zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs.1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO bestehen vorliegend nicht.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da das Ablehnungsverfahren für die Prozessbevollmächtigten zum Rechtszug gehört und gerichtliche Gebühren nicht entstanden sind.

Ziemert Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht

Schaffert Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

Röhr Richterin am Amtsgericht