Deutsche Rentenversicherung Bund
Berlin
Gemeinsame Richtlinie der Träger der Rentenversicherung nach § 15a Absatz 5 Satz 1 SGB VI für Leistungen zur Kinderrehabilitation (Kinderreha-Richtlinie) vom 28. Juni 2018§ 1 Grundsatz
Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Kinder (Kinderrehabilitationen) nach §
15a SGB VI.
§ 2 Rehabilitationsziel
Kinderrehabilitationen werden für Kinder und Jugendliche erbracht, um hierdurch voraussichtlich eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit zu beseitigen oder die insbesondere durch chronische Erkrankungen beeinträchtigte Gesundheit wesentlich zu bessern oder wiederherzustellen und dies unter Berücksichtigung der altersentsprechenden Entwicklung von Kindern und Jugendlichen Einfluss auf die spätere Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Aussicht besteht, gesundheitliche Einschränkungen, die eine Teilhabe an Schule und Ausbildung mit dem Ziel der Erreichung des allgemeinen Arbeitsmarkts erschweren, durch medizinische Rehabilitationsleistungen zu beseitigen oder weitgehend zu kompensieren.
§ 3 Kinder im Sinne von § 1
(1) Leistungen zur Kinderrehabilitation werden für
1. Kinder von Versicherten,
2. Kinder von Beziehern einer Rente wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit und
3. Kinder, die eine Waisenrente beziehen
erbracht.
(2) Kinder im Sinne von Absatz 1 sind auch:
1. in den Haushalt aufgenommene Stiefkinder und Pflegekinder sowie
2. Enkel und Geschwister von Versicherten oder Rentenbeziehern, die in deren Haushalt aufgenommen sind oder von ihnen überwiegend unterhalten werden.
(3) Die in Absatz 1 und Absatz 2 genannten Kinder werden über das 18. Lebensjahr hinaus bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres berücksichtigt, wenn sie
1. sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befinden oder
2. sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Kalendermonaten befinden, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes oder Zivildienstes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne der Nummer 3 liegt, oder
3. einen freiwilligen Dienst im Sinne des §
32 Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe d) des Einkommensteuergesetzes leisten oder
4. wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten.
(4) In den Fällen des Absatz 3 Nummer 1 erhöht sich die Altersbegrenzung bei Unterbrechung oder Verzögerung der Schulausbildung oder Berufsausbildung durch den gesetzlichen Wehrdienst, Zivildienst oder einen gleichgestellten Dienst um die Zeit dieser Dienstleistung, höchstens um einen der Dauer des gesetzlichen Grundwehrdienstes oder Zivildienstes entsprechenden Zeitraum. Die Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne von Absatz 3 Nummer 3 ist kein gleichgestellter Dienst im Sinne von Satz 1.
§ 4 Persönliche Voraussetzungen
(1) Kinderrehabilitationen werden für Kinder und Jugendliche erbracht, wenn hierdurch das in § 2 definierte Rehabilitationsziel erreicht werden kann sowie Rehabilitationsfähigkeit und Rehabilitationsbedürftigkeit gegeben sind.
(2) Rehabilitationsfähigkeit liegt vor, wenn eine ausreichende körperliche und psychosoziale Belastbarkeit gegeben ist und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass eine soziale Integrationsfähigkeit (Gruppenfähigkeit) nicht besteht.
(3) Rehabilitationsbedürftigkeit besteht bei Vorliegen
• einer chronischen Krankheit,
• einer beeinträchtigten Gesundheit oder
• einer erheblichen Gesundheitsgefährdung,
die in Abhängigkeit von Funktionsstörungen und Kontextfaktoren in Anlehnung an die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) zu Teilhabestörungen und zu einer Gefährdung der späteren Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen kann.
(4) §
13 Absatz 2 SGB VI findet Anwendung. Ebenso werden keine Leistungen für Kinder und Jugendliche erbracht, bei denen pädagogische und therapeutische Interventionen mit dem ausschließlichen Ziel der sozialen Integration im Vordergrund stehen.
§ 5 Versicherungsrechtliche Voraussetzungen
Versicherte im Sinne des § 3 Absatz 1 Nummer 1 sind diejenigen, die
1. in den letzten zwei Jahren vor der Antragstellung sechs Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben oder
2. innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit aufgenommen und bis zum Antrag ausgeübt haben oder nach einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum Antrag arbeitsunfähig oder arbeitslos gewesen sind oder
3. bei Antragstellung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
§
11 Absatz 2 Satz 2 und 3 SGB VI findet Anwendung.
§ 6 Leistungsausschluss
(1) Kinderrehabilitationen werden nicht erbracht für Kinder von Versicherten oder Rentenbeziehern, wenn die Versicherten oder Rentenbezieher
1. eine Beschäftigung ausüben, aus der ihnen nach beamtenrechtlichen oder entsprechenden Vorschriften Anwartschaft auf Versorgung gewährleistet ist, oder
2. als Bezieher einer Versorgung wegen Erreichens einer Altersgrenze versicherungsfrei sind.
(2) Darüber hinaus werden Kinderrehabilitationen nicht erbracht für Kinder und für Bezieher einer Waisenrente, wenn die Kinder oder die Waisenrentenbezieher selbst
1. aufgrund eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des sozialen Entschädigungsrechts gleichartige Leistungen eines anderen Rehabilitationsträgers erhalten können oder
2. eine Beschäftigung ausüben, aus der ihnen nach beamtenrechtlichen oder entsprechenden Vorschriften Anwartschaft auf Versorgung gewährleistet ist oder
3. sich in Untersuchungshaft oder im Vollzug einer Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befinden oder einstweilig nach §
126a Absatz 1 der Strafprozessordnung untergebracht sind. Sachverhalte nach §
35 des Betäubungsmittelgesetzes bleiben unberührt.
(3) §
12 Absatz 2 SGB VI, wonach ein Zeitraum von vier Jahren zwischen zwei Rehabilitationsleistungen liegen muss, findet keine Anwendung.
(4) Ein eigenständiger Anspruch des Kindes auf eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach §
15 SGB VI schließt eine Leistungserbringung nach §
15a SGB VI nicht aus.
§ 7 Art der Durchführung
Leistungen zur Kinderrehabilitation können sowohl stationär als auch ambulant erbracht werden. Die Durchführung kann auch kombiniert erfolgen.
§ 8 Umfang und Dauer der Leistungen
(1) Kinderrehabilitationen umfassen insbesondere die ärztliche und nichtärztliche Therapie, Pflege und Versorgung mit Medikamenten sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung. Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter erhalten außerdem begleitenden Unterricht, sofern ein regulärer Schulbesuch nicht möglich ist.
(2) Stationäre Kinderrehabilitationen werden in der Regel für mindestens vier Wochen erbracht. Die Dauer der Leistungen ist abhängig von der Indikation. Die Rentenversicherung definiert hierfür indikationsspezifische Korridore zur Behandlungsdauer, an denen sich die Rehabilitationskonzepte orientieren.
(3) Ambulante Kinderrehabilitationen sollen sich in Bezug auf den therapeutischen Inhalt und Umfang an den stationären Leistungen orientieren. Die Gesamtdauer und das Setting der ambulanten Rehabilitation können hierbei in Abhängigkeit von Indikation und jeweiligem Rehabilitationskonzept flexibel gestaltet werden.
(4) Die Rehabilitation kann verlängert werden, wenn sich in deren Verlauf herausstellt, dass das Rehabilitationsziel voraussichtlich nur dadurch zu erreichen ist.
§ 9 Mitaufnahme einer Begleitperson und der Familienangehörigen
(1) Kinder haben Anspruch auf Mitaufnahme einer Begleitperson, wenn diese für die Durchführung oder den Erfolg der Leistungen zur Kinderrehabilitation notwendig ist. Ein Wechsel der Begleitperson ist grundsätzlich möglich.
Der Begleitperson kommt neben der Betreuung des Kindes eine die Therapie unterstützende Rolle zu. Die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt die Rehabilitationseinrichtung durch Schulungen und Beratungen.
(2) Von der Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson für die gesamte Dauer der Rehabilitation ist grundsätzlich auszugehen
• bei Kindern bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr,
• bei Kindern, die sich selbst nicht artikulieren können (Vermittlerrolle der Begleitperson),
• bei Kindern mit Behinderung, die eine unterstützende Hilfe der Begleitperson zur Erreichung des Rehabilitationserfolges benötigen,
• bei Kindern mit schweren chronischen Erkrankungen, insbesondere Mukoviszidose, onkologischen und kardiologischen Erkrankungen.
Die gemeinsame Unterbringung in der Rehabilitationseinrichtung soll gewährleistet sein.
(3) Eine zeitweise Begleitung des Kindes (regelhaft eine Woche) ist ebenfalls möglich. Zur Förderung der Autonomieentwicklung des Kindes ist in diesen Fällen eine externe Unterbringung der Begleitperson erforderlich.
(4) Kinder haben Anspruch auf Mitaufnahme von Familienangehörigen, wenn deren Einbeziehung in den Rehabilitationsprozess notwendig ist. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn
• die schwere chronische Erkrankung des Kindes die Alltagsaktivitäten der Familie erheblich beeinträchtigt oder
• das Kind aufgrund der Erkrankung ohne die Einbeziehung der Familienangehörigen nicht erfolgreich rehabilitiert werden kann.
Hierbei ist allein auf den angestrebten Rehabilitationserfolg des Kindes abzustellen. Ein bestehender Rehabilitationsbedarf weiterer Familienangehöriger begründet keinen Anspruch auf Mitaufnahme.
§ 10 Leistungen zur Nachsorge
(1) Leistungen zur Nachsorge nach §
17 SGB VI sind im Anschluss an Leistungen zur Kinderrehabilitation nach §
15a SGB VI zu erbringen, wenn sie zur Sicherung des Rehabilitationserfolges der vorangegangenen Teilhabeleistung erforderlich sind. Die Gemeinsame Richtlinie der Träger der Rentenversicherung nach §
17 Absatz 2 Satz 1 SGB VI für Leistungen zur Nachsorge findet Anwendung.
(2) Leistungen zur Nachsorge können unter Einbeziehung von einer Begleitperson oder Familienangehörigen erbracht werden.
§ 11 Bestimmungsrecht
(1) Die Träger der Rentenversicherung bestimmen im Einzelfall Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung unter Berücksichtigung der berechtigten Wünsche des Leistungsberechtigten.
(2) Die Träger der Rentenversicherung entscheiden ferner über die Notwendigkeit der Mitaufnahme einer Begleitperson oder von Familienangehörigen.
(3) Die Leistungen zur Kinderrehabilitation werden durch Rehabilitationseinrichtungen erbracht, die entweder vom Träger der Rentenversicherung selbst betrieben werden oder mit denen der Rentenversicherungsträger einen Vertrag nach §
38 SGB IX geschlossen hat. Die Konzepte der Rehabilitationseinrichtungen müssen auf die in § 2 genannten Ziele der Rentenversicherung ausgerichtet sein.
(4) Die stationären Rehabilitationseinrichtungen werden unter ständiger ärztlicher Verantwortung und unter Mitwirkung von im Umgang mit Kindern und Jugendlichen geschultem Personal betrieben. Das ambulante Setting orientiert sich unter Berücksichtigung von § 8 Absatz 3 an diesen Grundsätzen.
§ 12 Zuständigkeit
Die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI.
§ 13 Ergänzende Leistungen
Ergänzend zu den Leistungen zur Kinderrehabilitation werden Reisekosten nach §
73 SGB IX, Haushaltshilfe nach §
74 SGB IX, ärztlich verordneter Rehabilitationssport nach §
64 Absatz 1 Nummer 3 SGB IX und ärztlich verordnetes Funktionstraining nach §
64 Absatz 1 Nummer 4 SGB IX übernommen.
§ 14 Zuzahlung
Bei Kinderrehabilitationen ist keine Zuzahlung zu leisten. Dies gilt auch für Kinder, die das 18. Lebensjahr überschritten haben.
§ 15 Rahmenkonzepte
Die konkrete Ausgestaltung der ambulanten Leistungen zur Kinderrehabilitation und der Leistungen zur Nachsorge im Anschluss an eine Kinderrehabilitation werden im Einzelnen in einem jeweils noch zu erarbeitenden Rahmenkonzept ausgeführt. Die Rahmenkonzepte konkretisieren die Richtlinie inhaltlich; das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung der Rahmenkonzepte.
§ 16 Inkrafttreten
Die Richtlinie ergeht im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Sie gilt ab dem 1. Juli 2018 für nach dem 30. Juni 2018 gestellte Anträge.
In regelmäßigen Zeitabständen wird geprüft, ob die Richtlinie aufgrund des medizinischen Fortschritts oder der zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen angepasst werden muss.
Quelle: Bundesanzeiger