Über die Antragswelle, mit der Dr. Konrad Erzberger in den letzten Jahren ein Fülle von Statusverfahren nach §
98 AktG ins Laufen gebracht hat, habe ich hier
schon berichtet. Nachdem neue Anträge selten geworden sind und auch neue Entscheidungen nicht mehr laufend ergehen, bietet es sich an, das Wirken des Dr. Erzberger und seine Folgen einmal genauer zu betrachten. Dieser Artikel soll der erste einer Serie dazu sein und bietet einen eher statistischen Überblick über die von Erzberger angestoßenen Verfahren. Zum größten Teil stammen die Informationen dazu - wie könnte es hier anders sein - aus dem Bundesanzeiger, in aller Regel eben aus den "Gesellschaftsbekanntmachungen", der Rubrik, in der im Bundesanzeiger auch die gerichtlichen Bekanntmachungen zu solchen Verfahren erscheinen. In einigen Fällen habe ich aber auch die anderweitig veröffentlichten Entscheidungstexte und andere Quellen ausgewertet.
Über den Bundesanzeiger findet man Hinweise auf 57 Statusverfahren, deren Einleitung Erzberger beantragt hat.
1 Die älteste Bekanntmachung eines Antrags stammt vom 23.5.2013. Es folgen drei Bekanntmachungen aus dem Jahr 2014, darunter die des Verfahrens zur TUI AG, die zur Entscheidung "Erzberger" des EuGH geführt hat. Danach finden sich über mehr als zweieinhalb Jahre keine neuen Verfahren, erst am 9.8.2017 folgt die nächste Bekanntmachung - also kurz nach der "Erzberger"-Entscheidung, die der EuGH am 18.7.2017 getroffen hat. Dies ist der Beginn der schon in einem früheren Beitrag erwähnten Antragswelle: Insgesamt kommt Erzberger im Jahr 2017 nämlich auf 47 Anträge, vier weitere werden im Januar 2018 bekanntgemacht. Damit ist die Antragswelle dann beendet. Die Lust am Antragstellen dürfte Erzberger aber nicht verloren haben, eher fehlt es ihm wohl an geeigneten Antragsgegnern. Wo sich einer zu bieten scheint, macht Erzberger nämlich weiter: Am 14.11.2018 meldet der Bundesanzeiger einen Antrag zur Porsche Automobil Holding SE und schließlich am 11.4.2019 einen zur DWS Group GmbH & Co. KGaA. Letztere hat sich offenbar doch nicht als geeignet erwiesen, denn schon kurze Zeit später meldet der Bundesanzeiger auch die Antragsrücknahme in dieser Sache.
Was die Verteilung der Verfahren auf die einzelnen Landgerichte angeht, so hängt diese von zwei Faktoren ab: Erstens bestehen in mehreren Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen) für aktienrechtliche Statusverfahren Regeln zur Zuständigkeitskonzentration, so dass dort nur ein oder zwei Landgerichte (in NRW deren drei) überhaupt für solche Verfahren zuständig sind. Zweitens kann Erzberger Anträge natürlich nur gegen Unternehmen stellen, von denen er auch Aktien bekommt. In Regionen, in denen viele börsennotierte Unternehmen sitzen, ist also auch mit verhältnismäßig vielen Verfahren zu rechnen. Wenig überraschend liegen die Landgerichte München I und Frankfurt/Main mit jeweils zehn Verfahren also vorn; es folgen die Landgerichte Berlin (6), Nürnberg-Fürth (5), Stuttgart (5), Hamburg (4), Düsseldorf (3), Mannheim (3) und Dortmund (2). Jeweils ein Verfahren lief oder läuft bei den Landgerichten Bremen, Frankenthal, Hannover, Koblenz, Landau, Lübeck und Rostock.
Soweit ersichtlich hatte Erzberger vor den Landgerichten nur in zwei Fällen Erfolg:
2 Im Fall der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz AG entsprach das LG Frankfurt/Main, im Fall der Delivery Hero AG das LG Berlin Erzbergers Antrag. In 43 Fällen wurden Erzbergers Anträge zurückgewiesen.
3 Zwei Verfahren wurden ohne Sachentscheidung beendet, neben der schon erwähnten Antragsrücknahme in Sachen DWS Group GmbH & Co. KGaA betrifft dies auch das Verfahren gegen die Brenntag AG, was sich aus der darin ergangenen reinen
Kostenentscheidung des LG Düsseldorf ergibt. Zu zehn LG-Verfahren konnte ich keine Informationen zum Ausgang finden. Dies kann daran liegen, dass die Verfahren noch laufen oder erst in den letzten Wochen entschieden wurden. Möglich ist aber, dass auch hier in einigen Fällen eine Verfahrensbeendigung ohne Sachentscheidung dahinter steckt - anders als eine Sachentscheidung braucht das Gericht diese nämlich nicht bekanntmachen.
4Im aktienrechtlichen Statusverfahren gilt die Regel, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten und der Antragsgegner die Gerichtskosten trägt. Die Gerichtskosten kann das Gericht aber auch dem Antragsteller auferlegen, "wenn dies der Billigkeit entspricht" (§
99 Abs. 6 AktG). In 29 Fällen haben die Landgerichte sich an den Regelfall gehalten und die Kosten der jeweiligen Antragsgegnerin auferlegt. In immerhin 15 Fällen hielten es die Richter aber offenbar für recht und billig, dass Dr. Erzberger die Gerichtskosten übernimmt. Hervorgetreten ist hier besonders das LG Nürnberg-Fürth, das immerhin über fünf Fälle zu entscheiden hatte und in allen die Kosten dem Antragsteller auferlegt hat. Ganz anders sieht es bei den am meisten befassten Landgerichten München I und Frankfurt/Main aus, die in keinem der jeweils zehn Fällen, die sie zu entscheiden hatten, Billigkeitsgründe für eine Abweichung vom Regelfall sahen. Gemischte Entscheidungen finden sich bei den Landgerichten Stuttgart (3:1 gegen Erzberger) und Hamburg (2:1 für Erzberger).
1 Im Fall der Jost Werke AG hat das LG Frankfurt/Main die Einleitung eines Verfahrens unter dem Aktenzeichen 3-05 O 94/17 und einige Monate später die Erledigung eines Verfahrens unter dem Aktenzeichen 3-05 O 93/17 bekanntgemacht. Da weitere Bekanntmachungen fehlen, ist davon auszugehen, dass nur ein Verfahren stattgefunden hat und in einem der Aktenzeichen ein Schreibfehler vorliegt. Zur Fresenius Medical Care AG & Co. KGaA gibt es eine Bekanntmachung des LG Hof über den Antrag auf Einleitung eines Verfahrens und eine spätere des LG Nürnberg-Fürth über eine Entscheidung. Da das LG Hof wegen der Zuständigkeitskonzentrationsregelung des § 14 Abs. 1 GZVJu nicht für aktienrechtliche Statusverfahren zuständig ist, dürfte das LG Hof das Verfahren nach § 99 Abs. 1 AktG, § 3 Abs. 1 S. 1 FamFG ans LG Nürnberg-Fürth verwiesen haben. Auch hier gehe ich also von nur einem Verfahren aus. Es gibt auch (wenige) Bekanntmachungen über Statusverfahren, in denen der Name des Antragstellers nicht genannt wird, so dass unklar ist, ob die Verfahren auf Erzberger zurückgehen.
2 Zur Lage bei den Beschwerdeverfahren folgt ein besonderer Beitrag. Zumindest im wichtigen Fall der Deutsche Wohnen SE hatte Erzberger im Beschwerdeverfahren Erfolg, allerdings ist nun offenbar eine Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin beim BGH anhängig.
3 Im Verfahren gegen die Axel Springer SE ist der Ausgang (noch) keiner amtlichen Quelle zu entnehmen, hier existiert lediglich eine Mitteilung der Kanzlei, die die Antragsgegnerin vertreten hat.
4 § 99 Abs. 4 S. 2 AktG, der die Bekanntmachung des Entscheidungstenors in den Gesellschaftsblättern vorschreibt, bezieht sich sicher nur auf Sachentscheidungen. Sie dürfte nämlich im Hinblick auf den u.U. großen Kreis an Beschwerdeberechtigten, von denen der folgende Satz handelt, bestehen. Im Falle einer Beendigung ohne Sachentscheidung entfällt aber jeder denkbare Beschwerdegegenstand, selbst wenn noch ein Kostenbeschluss ergeht.