24 Kap 2/20
22 O 413/18
LG Köln
OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In dem Kapitalanlegermusterverfahren
des
persönliche Daten entfernt Klägers und Antragstellers,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte TILP, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt - gegen
persönliche Daten entfernt Beklagten und Antragsgegner,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Gerlach & Partner, Willy-Brandt-Allee 18, 53113 Bonn -
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hake, die Richterin am Oberlandesgericht Schwarz und den Richter am Amtsgericht Moch am 04.05.2020 beschlossen:
Der Vorlagebeschluss der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.07.2019 - 22 O 413/18 - wird unter Zurückweisung des Musterverfahrensantrages vom 24.10.2018 aufgehoben.
I.
Der Kläger verlangt vom Beklagten im Ausgangsverfahren 22 O 413/18 - LG Köln - Schadensersatz wegen einer Beteiligung an der „Erster Privater Investmentclub BÖRSEBIUS ZENTRAL (GbR)“. Seine Klage hat der Kläger mit einem Musterverfahrensantrag gemäß §§
2,
3 Abs. 1 KapMuG verbunden, mit welchem er die Feststellung begehrt, dass
der Verkaufsprospekt über einen Beitritt an der Erster Privater Investmentclub BÖRSEBIUS ZENTRAL (GbR) (nachfolgend „Gesellschaft“) in der Fassung vom 04.01.2008 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er - jeweils und/oder -
1. nicht auf das Risiko der fehlenden Handlungsfähigkeit und/oder der Abwicklung der Gesellschaft hinweist,
2. das Risiko der Nachhaftung unrichtig darstellt,
3. nicht auf das Blindpool-Risiko hinweist,
4. nicht auf das Risiko der Rücknahmeaussetzung hinweist,
5. nicht hinreichend über die kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen informiert.
Neben dem oben genannten Ausgangsverfahren sind bzw. waren bei der mit der Sache befassten 22. Zivilkammer des Landgerichts zahlreiche weitere Verfahren anhängig, in denen die jeweiligen Kläger vom Beklagten - sowie z.T. von weiteren Personen - mit einer im Wesentlichen gleichlautenden Begründung ebenfalls Schadensersatz verlangen; auch in diesen Verfahren ist jeweils ein gleichlautender Musterfeststellungsantrag gestellt worden.
Am 15.07.2019 hat die 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln im vorliegenden Verfahren sowie in den bei ihr anhängigen Parallelverfahren inhaltlich gleichlautende Vorlagebeschlüsse im Sinne von §
6 Abs. 1 KapMuG erlassen, deren Fassung jeweils dem oben dargestellten Antrag der Kläger entspricht. Nachdem zuvor einige der Parallelverfahren anderweitig erledigt worden waren, sind beim Senat neben dem vorliegenden Verfahren noch 14 weitere gleichlautende Vorlagebeschlüsse jeweils vom 15.07.2019 eingegangen. Im vorliegenden Verfahren sowie in den Verfahren 22 O 368/18 (= 24 Kap 1/20), 22 O 301/18 (= 24 Kap 6/20), 22 O 255/18 (= 24 Kap 10/20), 22 O 252/18 (= 24 Kap 11/20) und 22 O 292/18 (=24 Kap 12/20) ist die Klage inzwischen zurückgenommen worden.
II.
1.
Der am 15.07.2019 ergangene Vorlagebeschluss ist aufzuheben, weil er der in §
7 KapMuG getroffenen Regelung widerspricht. Nach dieser Vorschrift ist mit dem Erlass eines Vorlagebeschlusses nach §
6 KapMuG die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens für die gemäß §
8 Abs. 1 KapMuG auszusetzenden Verfahren unzulässig. Ein gleichwohl ergangener Vorlagebeschluss ist entgegen §
6 Abs. 1 S. 2 KapMuG für das Oberlandesgericht nicht bindend (§
7 S. 2 KapMuG). Diese Wirkung ist nicht auf das Stadium der Verfahrenseinleitung beschränkt, vielmehr wird mit dem ersten Vorlagebeschluss insgesamt der Erlass weiterer gleichgerichteter Vorlagebeschlüsse unzulässig (KK-KapMuG/Kruis, § 7 Rdn. 21). Einen gleichwohl ergangenen Vorlagebeschluss hebt das Oberlandesgericht auf und weist den zugrunde liegenden Musterverfahrensantrag zurück (Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 7 Rdn. 5; KK-KapMuG/Kruis, § 7 Rn. 26).
Das Vorgehen des Landgerichts ist mit den dargestellten gesetzlichen Vorgaben nicht vereinbar. Tatsächlich hätte die Kammer lediglich in einem der bei ihr anhängigen Verfahren einen Vorlagebeschluss erlassen dürfen, während die weiteren Verfahren ohne einen solchen Vorlagebeschluss (nur) gemäß §
8 KapMuG auszusetzen gewesen wären. Der Senat hat deshalb lediglich eines der ihm vorgelegten Verfahren als Kapitalanlegermusterverfahren fortzuführen, während die in den weiteren Verfahren ergangen Vorlagebeschlüsse aufzuheben sind. Bei der Auswahl des danach fortzuführenden Verfahrens kommt es wegen der gesetzlich angeordneten Priorität in erster Linie auf den Zeitpunkt an, wann die einzelnen Vorlagebeschlüsse erlassen wurden - wann also der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Beschluss der Post zur Beförderung übergeben hat (vgl. KK-KapMuG/Kruis, a.a.O., § 7 Rdn. 5; Vorwerk/Wolf/Fullenkamp, a.aO., § 7 Rdn. 7). Auch nach diesem Maßstab kommen allerdings mehrere Verfahren - namentlich die Verfahren 22 O 255/18, 22 O 258/18, 22 O 260/18, 22 O 265/18, 22 O 327/18, 22 O 360/18 und 22 O 368/18 - in Betracht, in denen die Geschäftsstelle des Landgerichts jeweils bereits am 15.07.2019 den an diesem Tage gefassten Vorlagebeschluss versandt hat. Da das an sich maßgebliche Kriterium damit zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, hat der Senat aus Gründen der Verfahrensökonomie als Hilfskriterium darauf abgestellt, welches der in Betracht kommenden Ausgangsverfahren sich am besten zur Fortführung eignet. Dies ist das Verfahren 22 O 265/18 (= 24 Kap 15/20), auf dessen Kläger sich die verbliebenen Kläger der ausgesetzten Verfahren als Musterkläger geeinigt haben. Die in den anderen Verfahren - und damit auch hier - ergangenen Vorlagebeschlüsse waren demgegenüber aus den genannten Gründen aufzuheben.
Soweit der Beklagte im Schriftsatz vom 15.04.2020 darum bittet, im Hinblick auf seine Vergleichsbemühungen mit der Auswahl des fortzuführenden Verfahrens und/oder der Auswahl des Musterklägers weiter zuzuwarten, teilt der Senat die zu Grunde liegende Einschätzung nicht. Die einzelnen Vorlagebeschlüsse stammen bereits vom 15.07.2019 und auch seit Eingang der ersten Sache beim Senat sind nunmehr nahezu drei Monate vergangen. Dem Verfahren ist vor diesem Hintergrund nunmehr unverzüglich Fortgang zu geben. Im Übrigen hindert die Fortsetzung des Verfahrens den Abschluss weiterer Vergleiche nicht, wie auch umgekehrt etwaige weitere Einigungen auf das fortzuführende Musterverfahren keine oder allenfalls geringfügige Auswirkungen hätten: Etwaige Klagerücknahmen von Beigeladenen hätten auf den Fortgang des Musterverfahrens gemäß §
13 Abs. 3 KapMuG von vornherein keinen Einfluss. Auch die Rücknahme von Musterverfahrensanträgen hindert die Fortsetzung des Verfahrens nicht - und zwar auch dann nicht, wenn dadurch nachträglich das in §
6 KapMuG genannte Quorum von zehn Anträgen unterschritten wird (vgl.
BT-Drucks. 17/8799, 23; Vorwerk/Wolf/Kotschy, a.a.O., § 13 Rdn. 12; Gängel/Gansel/Huth, KapMuG, 4. Aufl. 2013, § 13 Rdn. 11). Sofern schließlich im Zuge einer Einigung die vom Musterkläger selbst betriebene Klage zurückgenommen werden sollte, wäre gemäß §
13 Abs. 1 KapMuG (nur) ein neuer Musterkläger zu bestimmen.
2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§
24 Abs. 1 KapMuG).
Dr. Hake Schwarz Moch
Insgesamt 14 Parallelentscheidungen wurden ebenfalls am 7.5.2020 im Bundesanzeiger bekanntgemacht