Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
Anzeige:
Diese Entscheidung

20.06.2020

ARFB ./. Porsche/VW: Ablehnungsgesuch zurückgewiesen

Oberlandesgericht Celle

Beschluss

13 Kap 1/16

18 OH 2/16 Landgericht Hannover

In dem Musterverfahren

ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch den Geschäftsführer Ralf persönliche Daten entfernt,

Musterklägerin,

Prozessbevollmächtigte: TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU

gegen

1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Prof. Dr. Winterkorn, P.A.E. von Hagen u. a., Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,

2. Volkswagen AG vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,

Musterbeklagte,

Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanwälte Hengeler Müller, Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt, Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117 vl; 628110206 vl

Prozessbevollmächtigte zu 2: Anwaltsbüro Göhmann, Ottmerstraße 1 - 2, 38102 Braunschweig, Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW

hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schaffert, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Gerresheim und den Richter am Oberlandesgericht Krackhardt am 17. Juni 2020 beschlossen:

Das Ablehnungsgesuch des Beigeladenen Dr. Rall vom 15. Juni 2020 gegen den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, den Richter am Oberlandesgericht Keppler, den Richter am Oberlandesgericht Spamer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dencks wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2020 hat der Beigeladene Dr. Rall den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, den Richter am Oberlandesgericht Keppler, den Richter am Oberlandesgericht Spamer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dencks wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung führt er aus, dass keiner der abgelehnten Richter den Beigeladenen bzw. dessen Prozessbevollmächtigten über das Vorliegen eines weiteren Ablehnungsgesuchs vom 02.06.2020 informiert habe. Das Ablehnungsgesuch der Musterklägerin vom 02.06.2020 sei dem Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen erst am 10.06.2020 - zusammen mit dem bereits gefassten Beschluss vom 09.06.2020 über die Ablehnung dieses Gesuchs sowie des vorherigen Gesuchs vom 31.03.2020 - zugestellt worden. Die Nichtanhörung des Beigeladen hinsichtlich des jüngsten Befangenheitsgesuchs sei ersichtlich nur deshalb erfolgt, weil die Entscheidung über das Befangenheitsgesuch schon ohne weitere inhaltliche Prüfung festgestanden habe. Die abgelehnten Richter hätten damit offensichtlich gezielt die Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesem Ablehnungsgesuch verwehren wollen und durch ihre Vorgehensweise eine Verletzung des Art. 103 GG zumindest billigend in Kauf genommen.

Gleiches gelte hinsichtlich der Besetzungsrüge vom 25.05.2020. Der diesbezügliche Schriftsatz der Musterklägerin sei zusammen mit zahlreichen weiteren Schriftstücken am Vormittag des 10.06.2020 übermittelt worden. Noch bevor der Beigeladene den Schriftsatz auch nur inhaltlich zur Kenntnis habe nehmen können, habe der Senat am 11.06.2020 über das Gesuch bereits entschieden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass der 11.06.2020 in Baden-Württemberg gesetzlicher Feiertag (Fronleichnam) sei und der 12.06.2020 allseits als Brückentag gedient habe. Auch insoweit habe der Beigeladene keinerlei Möglichkeit gehabt, zu der Besetzungsrüge Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Ablehnungsgesuch vom 15.06.2020 Bezug genommen.

II.

Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Senat entscheidet in dieser Sache durch die gemäß Abschnitt II. des Geschäftsverteilungsplanes des Oberlandesgerichts für das Jahr 2020 zur Vertretung des 13. Zivilsenats berufenen im Dienst befindlichen Mitglieder des 16. Zivilsenats.

2. Das Ablehnungsersuchen ist nicht begründet. Eine Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist gemäß § 42 Abs. 2 ZPO anzunehmen, wenn aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Richter tatsächlich befangen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.02.2012, AZ: 1 W 5/11, Rn. 45, zit. nach juris; vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2006, AZ: IX ZB 60/06, Rn.7, zit. nach juris; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Auflage, § 42 Rn. 9). Derartige Gründe hat der Beigeladene nicht dargelegt.

a) Es ergibt sich keine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter daraus, dass sie den Schriftsatz der Musterklägerin hinsichtlich der Besetzungsrüge vom 25.05.2020 erst am Vormittag des 10.06.2020 übermittelten und bereits am 11.06.2020 über das Gesuch entschieden. Denn der Senat hat die Besetzungsrüge als nicht statthaft und damit unzulässig zurückgewiesen. Dass eine Besetzungsrüge entsprechend § 222 b StPO im Zivilprozess nicht vorgesehen ist, hatte der Senat bereits zuvor einmal mit Beschluss vom 30.10.2018 entschieden. Vor diesem Hintergrund war es nicht veranlasst, zu der erneuten Besetzungsrüge noch Stellungnahmen abzuwarten. Soweit der Beigeladene darauf hinweist, dass der 11.06.2020 in Baden-Württemberg ein gesetzlicher Feiertag ist, ist bereits nicht ersichtlich, dass dieser Umstand den abgelehnten Richtern überhaupt bewusst gewesen ist.

b) Eine Besorgnis der Voreingenommenheit der abgelehnten Richter ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene und sein Prozessbevollmächtigter über das Vorliegen eines weiteren Ablehnungsgesuchs vom 02.06.2020 nicht vor Fassung des Beschlusses vom 09.06.2020 informiert wurden. Über das ursprüngliche Ablehnungsgesuch vom 31.03.2020 war der Beigeladene informiert. Das weitere Ablehnungsgesuch vom 02.06.2020 wurde mit dem Inhalt der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese vom 06.04.2020 begründet. Deren Inhalt nahm die Musterklägerin zum Anlass, den bereits abgelehnten Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese nochmals abzulehnen. Der Inhalt der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese war aber auch dem Beigeladenen bekannt, weil ihm die dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese mit Verfügung vom 18.05.2020 übersandt worden war. Wenn die abgelehnten Richter vor dem Hintergrund, dass die dienstliche Äußerung thematisch naturgemäß das bekannte Ablehnungsgesuch betraf und dass der bekannt gegebene Inhalt der dienstlichen Äußerung dem Beigeladenen selbst keinen Anlass gegeben hatte, den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese (nochmals) abzulehnen, davon abgesehen haben, auch dieses Ablehnungsgesuch dem Beigeladenen nochmals vorab zur Stellungnahme zuzuleiten, so begründet dies aus Sicht eines verständigen Prozessbeteiligten nicht die Vermutung, die Richter stünden ihm nicht unvoreingenommen gegenüber. Schon gar nicht kann hieraus der Schluss gezogen werden, dass die Entscheidung bereits ohne weitere inhaltliche Prüfung festgestanden habe und die Richter dem Beigeladenen aus unlauteren Motiven gezielt die Möglichkeit zur Stellungnahme zu diesem Ablehnungsgesuch verwehren wollten.

3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO).

Dr. Gerresheim Dr. Gerresheim Krackhardt

für den nach Beratung ortsabwesenden VRiOLG Schaffert