Oberlandesgericht Celle
Beschluss
13 Kap 1/1618 OH 2/16 Landgericht Hannover
In dem Musterverfahren
ARFB Anlegerschutz UG (haftungsbeschränkt), vertreten durch den Geschäftsführer
persönliche Daten entfernt,
Musterklägerin,
Prozessbevollmächtigte: TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Geschäftszeichen: 900001/14 TI/ZwU
gegen
1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Prof. Dr. Winterkorn, P.A.E. von Hagen u. a., Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,
2. Volkswagen AG vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,
Musterbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanwälte Hengeler Müller, Bockenheimer Landstraße 24, 60323 Frankfurt, Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117 vl; 628110206 vl
Prozessbevollmächtigte zu 2: Anwaltsbüro Göhmann, Ottmerstraße 1 - 2, 38102 Braunschweig, Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW
hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Gerresheim, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Derks und den Richter am Oberlandesgericht Krackhardt am 9. November 2020 beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 07. September 2020 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Mit Schriftsatz vom 17.06.2020 (Bl. 10399 ff. d.A.) hat die Musterklägerin den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, den Richter am Oberlandesgericht Keppler, den Richter am Oberlandesgericht Spamer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dencks wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diese Ablehnung ergänzte und wiederholte sie mit Schriftsätzen vom 22.06.2020 (Bl. 10487 ff. und 10498 f. d.A.). Sodann lehnten die Musterklägerin und die sog. Elliot-Beigeladene mit Schriftsatz vom 14.07.2020 den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese, den Richter am Oberlandesgericht Keppler, den Richter am Oberlandesgericht Spamer sowie die Richterin am Oberlandesgericht Dencks erneut ab.
Mit Beschluss vom 07.09.2020 (Bl. 10853 ff. d.A.) hat der Senat diese Befangenheitsgesuche als unbegründet zurückgewiesen. Mit Verfügung vom selben Tag wurden der Beschluss den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gebracht.
Mit Schriftsatz vom 11.09.2020 (Bl. 10900 ff. d.A.) legte die Musterklägerin eine Gehörsrüge nach §
321a ZPO ein und beantragte, das Verfahren über die Ablehnungsgesuche fortzusetzen, den Beschluss vom 07.09.2020 aufzuheben und den Ablehnungsgesuchen der Musterklägerin stattzugeben. Mit Schriftsatz vom 15.09.2020 (Bl. 10949 ff. d.A.) erhob die Musterklägerin gegen den Beschluss des Senats vom 07.09.2020 nochmals Anhörungsrüge. Mit Schriftsatz vom 20.09.2020 (Bl. 11049 ff. d.A.) schlossen sich die sonstigen vom Prozessvertreter der Musterklägerin vertretenen Ausgangskläger der Anhörungsrüge an und stellten diese auch im eigenen Namen. Mit Schriftsatz vom 24.09.2020 (Bl. 11154 ff. d.A.) begründete die Musterklägerin ihre Gehörsrüge weiter.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass der Beschluss in keiner Weise auf die Frage eingehe, wie das Ablehnungsgesuch den Beteiligten im Termin vom 17.06.2020 zur Kenntnis gegeben worden sei und ob ihnen ausreichende Zeit für eine Stellungnahme gegeben worden sei, was die Verletzung rechtlichen Gehörs begründe. Eine zum Kern des Ablehnungsgesuchs vordringende Befassung sei durch den Beschluss vom 07.09.2020 nicht erfolgt. Dies zeige auch der in die Entscheidungsgründe eingebaute Baustein, dass Verfahrensverstöße in der Prozessleitung nicht ohne weiteres zu der Annahme führten, der Richter stünde der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Die Qualität des Verfahrensverstoßes lasse sich durch die Existenz des §
47 ZPO nicht verdecken. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Wiese habe sich selbst nach seiner Ablehnung als Herr des Verfahrens geriert. Es liege auch ein Gehörsverstoß vor, soweit der Beschluss vom 07.09.2020 über die Verwendung des Wortes „uns“ durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Wiese spekuliere, ohne zuvor eine dienstliche Äußerung einzuholen. Die Begründung bezüglich der Gesamtschau vermöge nicht im Ansatz dem Anspruch auf rechtliches Gehör zu genügen. Die in Bezug genommenen bisherigen Beschlüsse hätten zu einzelnen Umständen jeweils isoliert Stellung genommen. Eine Gesamtschau erfordere eine Abwägung sämtlicher Umstände. Diese Gesamtschau sei ausweislich der zitierten Entscheidungsgründe nicht vorgenommen worden, sondern lediglich formelhaft eine Formulierung eingefügt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die genannten Schriftsätze der Musterklägerin, insbesondere den Schriftsatz vom 15.09.2020, Bezug genommen.
II.
Die Gehörsrüge ist nach §
321a ZPO zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Senat entscheidet in dieser Sache durch die gemäß Abschnitt II. des Geschäftsverteilungsplanes des Oberlandesgerichts für das Jahr 2020 zur Vertretung des 1. Kartellsenats berufenen Mitglieder des 16. Zivilsenats.
2. Das Ablehnungsersuchen ist nicht begründet. Hierzu nimmt der Senat zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Entscheidung vom 07.09.2020 Bezug. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 07.09.2020 begründet, warum er nicht von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die abgelehnten Richter ausgeht. Hieran hält der Senat auch in Ansehung des Vorbringens der Musterklägerin im Rahmen der Gehörsrüge fest. Aus den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 07.09.2020 ergibt sich auch, warum der Senat nicht davon ausgeht, dass sich der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Wiese nach seiner Ablehnung als „Herr des Verfahrens“ geriert habe, sondern dieser vielmehr gerade nicht davon ausging, selbst entscheiden zu dürfen. Eine dienstliche Äußerung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Wiese ist eingeholt worden. Die Einholung einer weiteren dienstlichen Äußerung war nicht veranlasst, zumal der Senat im Beschluss vom 07.09.2020 dargelegt hat, weshalb die Verwendung des Wortes „uns“ eine Befangenheit nicht zu begründen vermag. Entgegen der Ansicht der Musterklägerin hat der Senat im Beschluss vom 07.09.2020 auch eine Gesamtschau vorgenommen und diese begründet und dabei auch das gesamte Vorbringen der Musterklägerin zur Kenntnis genommen. Insoweit wird ergänzend zur Vermeidung von Wiederholungen auch auf die Erwägungen im Beschluss des Senats vom 29.10.2020 (Bl. 11276 ff. d.A.) Bezug genommen.
3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht (§
574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO).
Dr. Gerresheim Dr. Derks Krackhardt