Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
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Diese Entscheidung

08.12.2020

HCI Exklusivprojekt Multipurpose Quartett: Zusätzliche Feststellungsziele im Kapitalanleger-Musterverfahren

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 23/19

Beschluss

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In der Sache

persönliche Daten entfernt - Musterkläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte von Ferber, Langer, Neuer Wall 61, 20354 Hamburg, Gz.: Z-421717-OR

gegen 1) HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin HCI Vertriebsverwaltung GbmH, diese vertreten durch d. Geschäftsführerin Name entfernt, Burchardstraße 8, 20097 Hamburg - Musterbeklagte -

2) HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Verwaltung HCI Treuhand GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer Name entfernt, Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen - Musterbeklagte -

3) HCI Treuhand SERVICE & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Verwaltung HCI Treuhand SERVICE GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer Name entfernt, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg - Musterbeklagte -

4) Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand Namen entfernt, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg - Musterbeklagte -

Prozessbevollmächtigte zu 1 - 4: Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Gz.: 10253/18

Nebenintervenientin zu 1: RTC Revision Treuhand Consulting GmbH Wirtschaftprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer Björn Hagedorn und Frank Fruggel, Burchardstraße 24, 20095 Hamburg

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000077-18

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beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht - 13. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 30.11.2020:

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1.) Auf Antrag des Musterklägers wird das Musterverfahren um die folgenden Feststellungsziele erweitert:

I. Der Verkaufsprospekt vom 23.04.2009 zum Beteiligungsangebot „HCI Exklusivprojekt Multipurpose Quartett“ (Fonds, bestehend aus den vier Einschiffgesellschaften: Erste MLP Bulktransport GmbH & Co. KG, MS „Joerg N“, Zweite MLP Bulktransport GmbH & Co. KG, MS „Christoph M“, Dritte MLP Bulktransport GmbH & Co. KG, MS „Tim B“ und Vierte MLP Bulktransport GmbH & Co. KG, MS „Rene A“ ist unrichtig und unvollständig, da

1. die Prospektaussagen über die künftigen Marktaussichten für einen durchschnittlich verständlichen Leser, der keine Kenntnis von den im Zeitpunkt der Herausgabe des Prospekts tatsächlich bestehenden Marktverhältnissen hatte, irreführend und widersprüchlich sind,

Feststellungsziel 1d: weil die Marktaussichten tatsächlich deutlich schlechter waren, als es der Prospekt den Anlegern auf S. 34 vermittelt hat, wenn es dort wie folgt heißt:

„Nach 5,1 %, 5,2 % und 3,4 % Wachstum in den Jahren 2006 bis 2008 erwartet der IWF in seiner aktuellen Prognose vom 28. Januar 2009 ein weltweites Wirtschaftswachstum von 0,5 % für das Jahr 2009 und 3,0 % für das Jahr 2010. Grundlage für den Weltseehandel ist unmittelbar die weltweite Industrieproduktion, da sie den Transport von Rohstoffen, Halbfertigprodukten und fertigen Industrieerzeugnissen antreibt. Entsprechend sieht der IWF auch die Aussichten für den Welthandel. Nach einem Wachstum des Welthandels in den Jahren 2006 bis 2008 von 9,3 %, 7,2 % bzw. 4,1 % gegenüber dem Vorjahr, soll laut Prognose die Entwicklung für die Jahre 2009 und 2010 -2,8 % bzw. 3,2 % betragen."

Feststellungsziel 10 (im Schriftsatz vom 26.05.2020 als Feststellungsziel 11 bezeichnet): Der Prospekt ist fehlerhaft, weil die Prognose der Schiffsbetriebskosten unvertretbar war.

Feststellungsziel 11 (im Schriftsatz vom 26.05.2020 als Feststellungsziel 12 bezeichnet): Der Prospekt ist fehlerhaft, weil die Angaben zur Leistungsbilanz der HCI Gruppe unvollständig und irreführend sind.

2.) Den Musterbeklagten wird aufgegeben, binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses auf die bereits mit klägerischem Schriftsatz vom 26.05.2020 (dort S. 55 - 79) erfolgte Begründung der Feststellungsziele 1d, 10 und 11 zu erwidern.

- Gründe:

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1.) Die beantragten Erweiterungen sind zuzulassen, die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen vor.

Die neuformulierten Ziele sind entscheidungserheblich, wofür es genügt, dass sich dies als plausibel darstellt, da dem OLG - anders als etwa bei einer Beschwerde gegen die Aussetzung oder Nichtaussetzung des Verfahrens - eine Prüfung des Ausgangsverfahrens im Einzelnen nicht obliegt (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).

Jede andere Auffassung würde das zur Entscheidung berufene OLG entweder in eine im Gesetz nicht angelegte Detailprüfung des Ausgangsrechtsstreits hineinzwingen, in der zu klären wäre, ob nunmehr explizit beantragte Erweiterungen dort schon Gegenstand des Klagevortrages sind oder aber noch dazu gemacht werden können, womit etwa auch eine Prüfung des § 296 ZPO verbunden sein könnte, die strukturell dem Gericht erster Instanz vorbehalten sein muss. Oder aber es wäre ohne Rücksicht auf die Frage, welcher Vortrag in erster Instanz relevant ist, auf den Stand desselben bei Erlass des Vorlagebeschlusses abzustellen, was jedoch den Sinn des KapMuG zu einer möglichst umfassenden Klärung der behaupteten Prospektfehler zu gelangen, konterkarieren würde.

2.) Der Senat merkt nur am Rande an, dass die sprachlichen Abweichungen der Feststellungsziele, wie sie im Schriftsatz vom 26.05.2020 formuliert sind, gegenüber dem Vorlagebeschluss vom 29.07.2019 nicht als Erweiterungsanträge zu verstehen sind. Anders als die Musterbeklagten offenbar meinen, handelt es sich hierbei lediglich um geringfügige sprachliche Abweichungen, die keinen Zweifel daran erkennen lassen, dass mit dem Schriftsatz vom 26.05.2020 die Feststellungsziele gemäß Vorlagebeschluss vom 29.07.2019 begründet werden sollen. Auch eine Erweiterung um das im Schriftsatz vom 26.05.2020 als Feststellungsziel 10 bezeichnete weitere Feststellungsziel ist nicht vorzunehmen. Dieses Feststellungsziel war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Vorlagebeschlusses vom 29.07.2019, an dem sich der Senat zu orientieren hat. Es ist auch nicht Gegenstand der auf S. 5 des Schriftsatzes vom 26.05.2020 gestellten und auf S. 55 ff. desselben Schriftsatzes begründeten Erweiterungsanträge, weshalb der Senat davon ausgehen muss, dass es sich bei der Nennung dieses Feststellungsziels um ein Versehen handelt. Im Übrigen wäre die Erweiterung um dieses Feststellungsziel auch schon deshalb unzulässig, weil es sich bei der Frage nach der Kausalität um eine Frage handelt, die der Klärung in den Ausgangsverfahren vorbehalten bleiben muss, da hierbei sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, die auf der Ebene des KapMuG-Verfahrens nicht geklärt werden können.

- Panten Löffler Dr. Tonner

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Richterin am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht