Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
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Diese Entscheidung

13.01.2021

MS Elisabeth-S. GmbH & Co. KG: Erweiterungsbeschluss im Kapitalanleger-Musterverfahren

Hanseatisches Oberlandesgericht

Az.: 13 Kap 26/19

Beschluss

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In der Sache

persönliche Daten entfernt - Musterkläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Mattil & Kollegen, Thierschplatz 3, 80538 München, Gz.: 4917/17/BM/BM

gegen

1) Schepers Schifffahrtsverwaltung GmbH & Co. KG, vertreten durch die Reederei Rudolf Schepers Beteiligungs GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Hermann-Ehlers-Straße 5b, 26160 Bad Zwischenahn - Musterbeklagte -

2) Ernst Russ AG, vertreten durch d. Vorstand, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg - Musterbeklagte -

3) Reederei Rudolf Schepers GmbH & Co. KG, vertreten durch die Schepers Geschäftsführung GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Hermann-Ehlers-Straße 2b, 26160 Bad Zwischenahn - Musterbeklagte -

4) persönliche Daten entfernt - Musterbeklagter -

5) HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin, HCI Vertriebsverwaltung GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer, Burchardstraße 8, 20095 Hamburg - Musterbeklagte -

6) HCI Treuhand GmbH & Co. KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin HCI Treuhand GmbH, vertreten durch Name entfernt, Elbchaussee 370, 22609 Hamburg - Musterbeklagte -

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 3: Rechtsanwälte Hansa Partner, Kehrwieder 11, 20457 Hamburg, Gz.: 38-18

Prozessbevollmächtigte zu 2: Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 477-18

Prozessbevollmächtigte zu 4: Rechtsanwälte Klein, (Kampnagel) Hauseingang 2, Barmbeker Straße 2-6, 22303 Hamburg

Prozessbevollmächtigte zu 5: Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 00270-17

Prozessbevollmächtigte zu 6: Rechtsanwälte nbs partners Partnerschaftsgesellschaft mbB, Am Sandtorkai 41, 20457 Hamburg, Gz.: 1364-18

Nebenintervenient zu 2 und 5: RTC Revision Treuhand Consulting GmbH, Rahlstedter Straße 32a, 22149 Hamburg

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000184-19/CH/AT

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte BKS Rechtsanwälte, Elsa-Brändström-Straße 7, 33602 Bielefeld, Gz.: 000210-18/CH/JT

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beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht - 13. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am .01.2021:

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Gem. § 15 KapMuG wird das Verfahren um die folgenden Feststellungsziele erweitert:

Feststellungsziel 1 h:

Der Prospekt ist ferner fehlerhaft, weil die kapitalmäßigen Verflechtungen zwischen der finanzierenden HSH Nordbank und der HCI Capital AG (nunmehr Ernst Russ AG) und die wirtschaftlichen Verbindungen der HCI Capital AG (nunmehr Ernst Russ AG) zur HSH Nordbank und die daraus resultierenden Interessenkonflikte nicht dargestellt sind.

Feststellungsziel 1 j:

Der Prospekt ist fehlerhaft, weil darin die Liquiditätsnot der wirtschaftlich und personell verflochtenen Peter Döhle-Gruppe verschwiegen wird.

Feststellungsziel 1 k:

Der Prospekt ist fehlerhaft, da die darin enthaltenen Angaben zum Fondsschiff MS Elisabeth S, insbesondere auf S. 31 f. irreführend und unzureichend sind, da sich daraus nicht bzw. nicht hinreichend deutlich ergibt, dass im Prospekt der Kaufpreis des Schiffes für den Fonds bereits zum Zeitpunkt der Bestellung im Jahr 2006 zugrunde gelegt wurde, obwohl im Zeitpunkt der Prospekterstellung die Kaufpreise vergleichbarer Schiffe erheblich gesunken waren und der Prospekt insgesamt ein fehlerhaftes Bild über das Fondsschiff und dessen Wert vermittelt.

Feststellungsziel 1 l:

Der Prospekt ist fehlerhaft, da darin die Marktlage falsch dargestellt ist, insbesondere die Überkapazitäten verschwiegen werden, die kurz- und mittelfristigen Prognosen unberücksichtigt geblieben sind und die aktuellen Marktentwicklungen verschwiegen wurden, so dass sich ein unzutreffend positives Bild ergab und somit die Prognoseberechnungen nicht auf realistischer Tatsachengrundlage basierten.

Feststellungsziel 1 m:

Der Prospekt ist fehlerhaft,

.....

bb) weil die darin dargestellte Leistungsbilanz, insbesondere auf S. 27 f. des Prospektes fehlerhaft ist, da durch die Verwendung des Begriffes „Ausschüttungen“ bei Vorgängerfonds der HCI-Gruppe der fehlerhafte Eindruck erweckt wird, es handele sich hierbei um Erfolge der HCI-Gruppe in Form von auf Gewinnen basierenden Auszahlungen, tatsächlich handelte es sich jedoch um Einlagenrückgewähr gem. § 172 Abs. 4 HGB, die jederzeit rückforderbar waren;

cc) weil nicht hinreichend über die zusätzlichen Zahlungsrisiken informiert wird, die sich aus dem Überschreiten der 105%-Klausel des in ausländischer Währung laufenden Finanzierungsvertrages ergaben.

Feststellungsziel 1 n:

Der Prospekt ist fehlerhaft, weil darin irreführende Angaben zum Wert des Schiffes zum geplanten Laufzeitende des Fonds im Jahre 2021 ins Blaue hinein gemacht werden.

Feststellungsziel 2 wird dahingehend neu gefasst, dass der Antrag sich nunmehr auch auf die Musterbeklagten zu 5 und 6 bezieht.

Im Übrigen wird der Erweiterungsantrag des Klägers vom 30.04.2020 zurückgewiesen.

- Gründe:

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1.) Zu bescheiden war der Erweiterungsantrag des Klägers in seiner aktuellen Form gem. Schriftsatz vom 30.04.2020, mit dem er die unter dem 28.01.2020 noch begehrte Erweiterung um die Feststellungsziele 1 i, 1 m aa und 4 nicht mehr angebracht hat.

Auch wenn nach allgemeiner Auffassung einmal zugelassene Feststellungsanträge im KapMuG-Verfahren nicht mehr zurückgenommen werden können, spricht nichts dagegen, dem Antragsteller im Verfahren nach § 15 KapMuG die Disposition über seinen Antrag bis zu dessen Bescheidung offenzuhalten.

2.) Die Voraussetzungen des § 15 KapMuG liegen hinsichtlich der zugelassenen Erweiterungen vor.

a) Die neu formulierten Feststellungsziele sind entscheidungserheblich, wofür es genügt, dass es als plausibel erscheint, dass die Entscheidung über die beantragte Erweiterung sich im Ausgangsverfahren auswirken kann (Kölner Kommentar-Vollkommer, KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 15, Rn. 14).

Der Senat folgt nicht der Auffassung von Vorwerk/Wolf-Kotschy, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 6), wonach eine Erweiterung nur vorzunehmen wäre, wenn die fragliche Erweiterung tatsächlich im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich wäre, was voraussetze, dass die fragliche Rüge zum Prospektinhalt dort erhoben und auch zu ihrer Relevanz für die Anlageentscheidung vorgetragen worden wäre.

Ein Bestreiten des entsprechenden Vortrages eines die Erweiterung begehrenden Beteiligten des KapMuG-Verfahrens durch andere Beteiligte würde den Senat in eine ihm nicht obliegende Prüfung des (jeweiligen) Ausgangsverfahrens im Einzelnen hineinzwingen, eine Prüfung, die ihm - anders als etwa bei der Beschwerde gegen die Aussetzung oder Nichtaussetzung eines Verfahrens nach § 8 KapMuG - nicht obliegt (Kölner Kommentar-Vollkommer, aaO., § 15, Rn. 14). So würden in das KapMuG-Verfahren Fragen hineingetragen, die nach seiner Struktur dort nicht zu klären sind: Je nach Vorbringen der Parteien wäre ggf. der Frage nachzugehen, ob der Vortrag zu einem bestimmten, vom Erweiterungsantrag betroffenen Sachverhalt hinreichend substantiiert ist, ob er rechtzeitig vorgebracht wurde, ob er zu Recht präkludiert wurde oder aber zu präkludieren wäre, u. U. auch, ob er ohne Verstoß gegen Verspätungsregeln noch angebracht werden könnte. Hierbei wäre auch nicht etwa nur auf das Ausgangsverfahren des Musterklägers abzustellen: Da auch Beigeladene Erweiterungsanträge anbringen können, würde es konsequenter Weise auf das Vorbingen in deren jeweiligen Verfahren ankommen; ganz unklar wäre schließlich, wie insoweit mit erweiternden Feststellungsanträgen der Beklagtenseite umzugehen wäre - offenkundig kann es insoweit nicht nur auf das Verfahren des Musterklägers ankommen, vielmehr wäre wohl darauf abzustellen, ob die Beklagtenseite den entsprechenden Einwand bislang in irgendeinem Ausgangsverfahren vorgebracht hat. Damit aber würde das KapMuG-Verfahren mit der Klärung von Fragen belastet, die - besonders augenfällig bei Fragen der Präklusion - in die alleinige Entscheidungskompetenz des Ausgangsgerichts gestellt sind.

Insoweit kann auch der Hinweis der Beklagten auf BGH XI ZB 13/18, Beschluss vom 30.04.2019, nicht durchdringen: Dass eine Aussetzung nach § 8 KapMuG nur erfolgen kann, wenn „es nach der Überzeugung des Prozessgerichts auf ... geltend gemachte Feststellungsziele für den Ausgang des Rechtsstreits konkret ankommen wird“ (Leitsatz 2), ist für die Frage der Anforderungen im Rahmen des § 15 KapMuG ohne Belang. Denn - wie oben ausgeführt - ist die Prüfung dieser Frage dem Prozessgericht ohne Weiteres, insbesondere ohne Beiziehung bislang nicht verfahrensgegenständlicher Akten, möglich und auch zugewiesen.

Soweit das Kriterium der konkreten Entscheidungserheblichkeit offenbar herangezogen werden soll, um ein Ausufern des KapMuG-Verfahrens durch Anträge nach § 15 KapMuG zu verhindern, erscheint es hierfür nicht geeignet. Vielmehr ist die Abhandlung weiterer Feststellungsziele, die plausibler Weise in Ausgangsverfahren eine Rolle spielen können, nach dem Telos des KapMuG sachgerecht, um in einem Verfahren eine möglichst umfassende Klärung der behaupteten Fehlerhaftigkeit einer Kapitalmarktinformation herbeizuführen. Eine mit dem Anspruch der Parteien - auch der Parteien der ausgesetzten Verfahren - auf hinreichend raschen Rechtsschutz nicht vereinbare Überfrachtung und insbesondere Verzögerung des KapMuG-Verfahrens kann dadurch gesteuert werden, dass im Einzelfall die Sachdienlichkeit von Erweiterungsanträgen verneint wird. So sind nach Auffassung des Senats Erweiterungsanträge insbesondere dann nicht sachdienlich, wenn sie - wie nach der Erfahrung in zahlreichen KapMuG-Verfahren nicht selten - erst Monate nach Anbringung des Begründungsschriftsatzes und Erwiderung der Beklagten bzw. erst sehr kurz vor oder gar erst nach der mündlichen Verhandlung gestellt werden, wenn ihre Zulassung zu einer deutlichen Verzögerung der Entscheidung und damit auch zu einer unangemessenen Verzögerung der Ausgangsverfahren führen würde.

b) Die zugelassenen Erweiterungen betreffen sämtlich den Inhalt des streitgegenständlichen Fondsprospektes und damit den gleichen Lebensachverhalt wie die schon rechtshängigen Anträge.

c) Schließlich ist ihre Zulassung auch sachdienlich, insbesondere führt sie voraussichtlich nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens, kann aber zu einer umfassenden Klärung der sich bezogen auf den Anlageprospekt stellenden rechtlichen und tatsächlichen Fragen beitragen (vgl. dazu Kölner Kommentar-Vollkommer aaO., § 15, Rnrn. 20, 21).

3.) Die Erweiterungsanträge zu Ziffern 5 und 6 des klägerischen Schriftsatzes vom 30.04.2021 sind hingegen nicht zuzulassen, da sie schon nicht den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, wie die bereits anhängigen Anträge.

Hier geht es nicht, wie bei sämtlichen bereits anhängigen und mit dem vorliegenden Beschluss zugelassenen Feststellungsanträgen, um konkrete inhaltliche Mängel des Fondsprospektes, vielmehr begehrt der Kläger die Klärung, ob bezogen auf behauptete Mängel bestimmte Informationsschreiben der Fondsgesellschaft oder der Treuhänderin geeignet waren, die Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gang zu setzen bzw. um die Frage, ob bestimmte Schlichtungsverfahren rechtsmissbräuchlich betrieben wurden und damit nicht geeignet waren, eine Verjährungshemmung herbeizuführen.

Damit aber sollen Sachverhalte zur Beurteilung durch den Senat gestellt werden, die bislang im Verfahren keinerlei Rolle gespielt haben.

- Panten Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht

Löffler Richterin am Oberlandesgericht

Dr. Tonner Richter am Oberlandesgericht