Landgericht Hannover
Geschäfts-Nr.:
18 OH 2/16(18 O 333/14
18 O 89/15
18 O 96/15
18 O 175/15)
Beschluss
In dem Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz
32 Antragsteller, auch im Bundesanzeiger nicht namentlich genanntProzessbevollmächtigte, auch im Bundesanzeiger nicht namentlich genanntgegen
1. Porsche Automobil Holding SE, vertreten durch den Vorstand Prof. Dr. Winterkorn, P.A.E. von Hagen u.a., Porscheplatz 1, 70435 Stuttgart,
2. Volkswagen AG, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg,
Antragsgegnerinnen
Prozessbevollmächtigte zu 1: Rechtsanw. Hengeler Mueller, Bockenheimer Landstr. 24, 60323 Frankfurt/Main, Geschäftszeichen: 66825785v2; 68238117vl; 628110206vl
Prozessbevollmächtigte zu 2: Rechtsanw. Göhmann, Ottmerstr. 1-2, 38102 Braunschweig, Geschäftszeichen: 01907-11 BE/SW
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover am 13.04.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Fredrich, die Richterin am Landgericht Dr. Wehrhahn und den Richter am Landgericht Caesar beschlossen:
A.
Dem Oberlandesgericht Celle werden gemäß §
6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt:
II.1. Die Vorstände der Beklagten zu 1), die Herren Dr. Wendelin Wiedeking und Holger Härter, hatten jeweils am 03.03.2008, 10.03.2008, 16.06.2008, 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008, und 05.10.2008 die Absicht, die Beteiligung der Beklagten zu 1) am Stammkapital der Beklagten zu 2) auf mindestens 75 % aufzustocken und hierzu auch konkrete Maßnahmen eingeleitet, insbesondere durch Start der Optionsstrategien VII und VIII.
II. 2. Die Aufsichtsräte der Beklagten zu 2), die Herren Dr. Wendelin Wiedeking, Holger Härter, Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech, Dr. Wolfgang Porsche und Christian Wulff, hatten von der konkreten Beherrschungsabsicht im Sinne der Ziff. 1. Kenntnis zu den jeweils in Ziff. 1. genannten Daten.
II.3. Die in Ziff. 2. genannte Kenntnis der Aufsichtsräte ist der Beklagten zu 2) seit dem 03.03.2008 zuzurechnen, hilfsweise: Die Beklagte zu 2) muss sich seit dem 03.03.2008 so behandeln lassen, als ob sie Kenntnis von der konkreten Beherrschungsabsicht im Sinne der Ziff. 1 gehabt hätte.
II.4. Die Beklagte zu 2) hatte seit dem 03.03.2008 Kenntnis von der konkreten Beherrschungsabsicht im Sinne der Ziff. 1;
II.5. Die konkrete Beherrschungsabsicht der Beklagten zu 1) stellt eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG dar.
II.6. Diese Insiderinformation betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG.
II.7. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben es unterlassen, diese Insiderinformation unverzüglich im Sinne von §
15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen, insbesondere zu den in Ziff. 1 genannten Daten.
II.7.a. Diese Veröffentlichungspflicht oblag den Beklagten zu 1) und zu 2) zumindest im Zeitraum vom 03.03.2008 bis 26.10.2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
II.8. Diese Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) beruhte jeweils auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
VIII.1. Eine Haftung der Beklagten zu 1) aus §§
37 b, c WpHG umfasst auch Schäden aus Transaktionen in VW-Stammaktien; Anspruchsberechtigte, welche solche Transaktionen getätigt haben, sind insoweit aktivlegitimiert.
II.10. Indem die Beklagten zu 1) und zu 2) die unverzügliche Mitteilung unterlassen haben, haben sie sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
II.11. Die Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB.
III.1. Die Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 stellt eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG.
III.2. Die Insiderinformation bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG und §
37c Abs. 1 WpHG.
III.3. Die Insiderinformation bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 ist unwahr, unvollständig oder irreführend.
III.4. Die Beklagten zu 1) und zu 2) kannten die Unrichtigkeit der Insiderinformation bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008.
III.5. Die Beklagte zu 1) war gemäß §
15 Abs. 2 S. 2 WpHG zur unverzüglichen Berichtigung der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 verpflichtet.
III.5.a. Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 oblag der Beklagten zu 1) zumindest im Zeitraum vom 03.03.2008 bis 26.10.2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
III.5.b. Diese Berichtigung bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 hat die Beklagte zu 1) unterlassen.
III.5.c. Diese Unterlassung bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
III.8. Die Veranlassung der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 durch die Beklagte zu 1) war sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB.
III.9. Die Beklagte zu 1) hat in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter durch diese Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
VIII.4.a. Die Beklagte zu 2) war Mittäter oder Beteiligte im Sinne des §
830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Beklagten zu 1) bezüglich der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008.
IV.1. Die Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 10.03.2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend.
IV.2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) kannten die Unrichtigkeit der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 10.03.2008.
IV.5. Die Beklagte zu 1) war am 10.03.2008 nach Herausgabe ihrer Pressemitteilung vom 10.03.2008 verpflichtet, deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren.
IV.6. Der Umstand, dass die Pressemitteilung vom 10.03.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält, hilfsweise der Umstand, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG dar.
IV.7. Diese Insiderinformation bezüglich der Pressemitteilung vom 10.03.2008 betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG.
IV.8. Die Beklagte zu 1) hat es unterlassen, diese Insiderinformation bezüglich der Pressemitteilung vom 10.03.2008 unverzüglich im Sinne von §
15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.
IV.8.a. Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Pressemitteilung vom 10.03.2008 oblag der Beklagten zu 1) zumindest im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 26.10.2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
IV.9. Diese Unterlassung bezüglich der Pressemitteilung vom 10.03.2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
IV.10. Indem die Beklagte zu 1) die unverzügliche Mitteilung bezüglich der Berichtigung der Pressemitteilung vom 10.03.2008 unterlassen hat, hat sie sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
IV.11. Die Unterlassung der Beklagten zu 1) bezüglich der Berichtigung der Pressemitteilung vom 10.03.2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB.
VIII.4.b. Die Beklagte zu 2) war Mittäter oder Beteiligte im Sinne des §
830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Beklagten zu 1) bezüglich der Pressemitteilung vom 10.03.2008.
V.3. Die Kenntnis der Aufsichtsräte der Beklagten zu 2), der Herren Dr. Wendelin Wiedeking, Holger Härter, Prof. Dr. h.c. Ferdinand Piech und Dr. Wolfgang Porsche, von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 ist der Beklagten zu 2) seit dem 23.07.2008 zuzurechnen.
V.4. Die Beklagte zu 2) hatte seit dem 23.07.2008 Kenntnis von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008.
V.5. Der Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 stellt eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG dar.
V.6. Diese Insiderinformation betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG.
V.7.a. Diese Veröffentlichungspflicht betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 oblag den Beklagten zu 1) und zu 2) zumindest im Zeitraum vom 23.07.2008 bis 26.10.2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
V.8. Diese Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 beruhte jeweils auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
V.10. Indem die Beklagten zu 1) und zu 2) die unverzügliche Mitteilung betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 unterlassen haben, haben sie sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
V.11. Die Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) von der unverzüglichen Mitteilung betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB.
VI.1.a. Die Äußerung eines namentlich nicht genannten Pressesprechers der Beklagten zu 1) vom 23.07.2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend.
VI.1.b. Die Äußerung des Finanzvorstandes der Beklagten zu 1) Holger Härter in der FAZ vom 28.07.2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend.
VI.1.c. Die Äußerung des Vorstandsmitgliedes der Beklagten zu 1) Dr. Wendelin Wiedeking, welche in der Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 16.09.2008 zitiert wird, war unrichtig, unvollständig oder irreführend.
VI.1.d) Die Äußerungen eines namentlich nicht benannten Sprechers der Beklagten zu 1) sowie deren Finanzvorstandes Holger Härter, welche im Handelsblatt vom 18.09.2008 zitiert werden, waren unrichtig, unvollständig oder irreführend.
VI.1.e. Die Äußerung des Vorstandsmitgliedes der Beklagten zu 1) Dr. Wendelin Wiedeking vom 05.10.2008 in der FAS war unrichtig, unvollständig oder irreführend.
VI.2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) kannten die Unrichtigkeit der Äußerungen im Sinne der Ziff. 1 (fortan auch „Äußerungen“).
VI.5. Die Beklagte zu 1) war nach der jeweiligen Äußerung vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 verpflichtet, deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von diesen Äußerungen am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren.
VI.6. Der Umstand, dass die Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthalten, hilfsweise der Umstand, dass mit diesen Äußerungen ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, stellt eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG dar.
VI.7. Diese Insiderinformation bezüglich der Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG.
VI.8.a. Diese Veröffentlichungspflicht bezüglich der Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 oblag der Beklagten zu 1) zumindest im Zeitraum vom 23.07.2008 bis 26.10.2008; in diesem Zeitraum entstand diese Veröffentlichungspflicht täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
VI.9. Diese Unterlassung bezüglich der Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
VI.10. Indem die Beklagte zu 1) die unverzügliche Ad-hoc-Mitteilung betreffend die Korrektur der unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Aussagen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 unterlassen hat, hat sie sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
VI.11. Die Unterlassung der Beklagten zu 1) einer unverzüglichen Ad-hoc-Mitteilung betreffend die Korrektur der unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Aussagen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB.
VIII.4.c. Die Beklagte zu 2) war Mittäter oder Beteiligte im Sinne des §
830 BGB an den sittenwidrigen Handlungen der Beklagten zu 1) bezüglich der Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008.
VII.1. Die Pressemitteilung der Beklagten zu 1) vom 26.10.2008 war unrichtig, unvollständig oder irreführend und zielte darauf ab, den Kapitalmarkt zu manipulieren, insbesondere darauf, dass Leerverkäufer von VW-Stammaktien ihre Leerverkäufe nach Kenntniserlangung dieser Pressmitteilung eindeckten.
VII.2. Die Beklagten zu 1) und zu 2) kannten die Unrichtigkeit der Pressemitteilung und deren Ziel im Sinne der Ziff. 1.
VII.5. Die Beklagte zu 1) war am 26.10.2008 nach Herausgabe ihrer Pressemitteilung verpflichtet, deren unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren, hilfsweise den von dieser Pressemitteilung am Kapitalmarkt erzeugten irreführenden Eindruck per Ad hoc-Mitteilung zu korrigieren.
VII.6. Der Umstand, dass die Pressemitteilung vom 26.10.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält, hilfsweise der Umstand, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, stellt eine Insiderinformation im Sinne von §
13 WpHG dar.
VII.7. Diese Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26.10.2008 betraf die Beklagten zu 1) und zu 2) unmittelbar im Sinne von §
37b Abs. 1 WpHG.
VII.8. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben es unterlassen, diese Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26.10.2008 unverzüglich im Sinne von §
15 Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.
VII.8.a. Ab dem 26.10.2008 entstand diese Veröffentlichungspflicht betreffend die Insiderinformation im Hinblick auf die Pressemitteilung vom 26.10.2008 täglich als jeweils eigenständige Pflicht aufs Neue.
VII.9. Diese Unterlassung einer Veröffentlichung bezüglich des Umstands, dass die Pressemitteilung vom 26.10.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält, hilfsweise des Umstands, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, beruhte auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
VII.10. Indem die Beklagten zu 1) und zu 2) die unverzügliche Mitteilung bezüglich des Umstands, dass die Pressemitteilung vom 26.10.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält, hilfsweise des Umstands, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, unterlassen haben, haben sie sittenwidrig im Sinne des §
826 BGB gehandelt.
VII.11. Die Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) einer Veröffentlichung bezüglich des Umstands, dass die Pressemitteilung vom 26.10.2008 unrichtige, unvollständige oder irreführende Aussagen enthält, hilfsweise des Umstands, dass mit dieser Pressemitteilung ein irreführender Eindruck am Kapitalmarkt erzeugt wird, war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des §
826 BGB.
XI.1. Die VW-Stammaktie stellte einen eigenständigen sachlichen und räumlich relevanten Markt im Sinne des §
19 Abs. 2 GWB dar in folgenden Zeiträumen:
a) Vom 03.03.2008 bis 13.01.2009; hilfsweise: Vom 03.03.2008 bis 31.10.2008.
b) Hilfsweise: Vom 16.06.2008 bis 13.01.2009; hilfsweise hierzu: Vom 16.06.2008 bis 31.10.2008.
c) Höchst hilfsweise: Vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Pressemitteilung vom 26.10.2008 bis 13.01.2009; hilfsweise hierzu: Vom Zeitpunkt der Bekanntgabe der Pressemitteilung vom 26.10.2008 bis 31.10.2008.
XI.2. Die Beklagte zu 1) war hinsichtlich der VW-Stammaktie marktbeherrschend im Sinne des §
19 Abs. 2 GWB in den in Ziff. 1 genannten Zeiträumen.
XI.3. In den in Ziff. 1 genannten Zeiträumen hat die Beklagte zu 1) ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt im Sinne des §
19 Abs. 1 GWB.
XI.4. Anspruchsberechtigt gemäß §
33 Abs. 1, 3 GWB sind folgende Personen:
a) Verkäufer von VW-Stammaktien (Early Seller), welche ihre Verkäufe im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 26.10.2008, hilfsweise im Zeitraum vom 16.06.2008 bis 26.10.2008 getätigt haben.
b) Leerverkäufer von VW-Stammaktien (Short Seller), welche ihre Deckungskäufe nach dem 26.10.2008 getätigt haben.
XI.5. Die Beklagte zu 1) hat gegen §
19 Abs. 1 GWB verstoßen.
XI.6. Die Beklagte zu 1) hat gegen Art. 82 EG-Vertrag (entspricht dem heutigen Art.
102 AEUV) verstoßen.
XI.7. Die in Ziff. 5 und 6 genannten Verstöße der Beklagten zu 1) erfolgten vorsätzlich oder fahrlässig im Sinne des §
33 Abs. 3 S. 1 GWB.
XI.8. Die Beklagte zu 2) war Mittäter oder Beteiligte im Sinne des §
830 BGB an den Verstößen der Beklagten zu 1) im Sinne der Ziff. 5. und 6.
XII.1. Unternehmen, welche im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 13.01.2009, hilfsweise im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 31.10.2008 VW-Stammaktien als Verkäufer anboten oder als Käufer nachfragten, standen mit der Beklagten zu 1) in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis und waren daher Mitbewerber im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 3 UWG im Verhältnis zur Beklagten zu 1).
XII.2. Der Aufbau der Beteiligung der Beklagten zu 1) an den VW-Stammaktien im Zeitraum vom 03.03.2008 bis 26.10.2008 stellt eine Wettbewerbshandlung dar im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
XII.3. Die in den Komplexen I. bis XI. genannte Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) sowie ihre dort genannten Pressemitteilungen und sonstigen Äußerungen sind Wettbewerbshandlungen im Sinne des §
2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.
XII.4. Die in Ziff. 2 und 3 genannten Wettbewerbshandlungen der Beklagten zu 1) waren unlauter im Sinne des §
3 UWG in Verbindung mit §
4 Nr. 1 UWG oder §
4 Nr. 10 UWG oder §
4 Nr. 11 UWG oder §
5 UWG.
XII.5. Die unlauteren Wettbewerbshandlungen der Beklagten zu 1) im Sinne der Ziff. 4 waren zur Beeinträchtigung geeignet im Sinne des §
3 UWG, insbesondere hinsichtlich der Early Seller, welche VW-Stammaktien im Zeitraum vom 10.03.2008 bis 26.10.2008 verkauft haben, sowie der Short Seller, welche VW-Stammaktien nach dem 26.10.2008 eingedeckt haben.
XII.6. Die unlauteren Wettbewerbshandlungen der Beklagten zu 1) erfolgten vorsätzlich oder fahrlässig im Sinne des §
9 S. 1 UWG.
XII.7. Die Beklagte zu 2) war Mittäter oder Beteiligte im Sinne des §
830 BGB an den unlauteren Wettbewerbshandlungen der Beklagten zu 1) im Sinne der Ziff. 2 bis 4.
XIII.1. Zu Lasten der Beklagten zu 1) und 2) liegen spätestens seit dem 26.10.2008 die Voraussetzungen der §§
849,
246 BGB vor.
XIII.2. Zu Lasten der Beklagten zu 1) und 2) liegen spätestens seit dem 26.10.2008 die Voraussetzungen der §§
33 Abs. 3 S. 4, 5 GWB; 288 Abs. 2 BGB vor, falls es sich bei den Anspruchsberechtigten um keinen Verbraucher handelt.
B.
Dieser Vorlagebeschlusses und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß §
6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.
C.
Im Übrigen werden die Anträge als unzulässig verworfen.
Gründe:I.
Die Antragsteller der zugrunde liegenden Musterverfahrensanträge begehren von den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht die Zahlung von Schadensersatz wegen Veröffentlichung von nach Darstellung der Klägerinnen unrichtigen und irreführenden Presseerklärungen bzw. einer Ad-Hoc-Mitteilung (§§
37 b,
37 c WpHG, §
826 BGB), wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens (§
9 UWG), wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (§§
33 Abs. 3,
19 GWB) sowie wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot (§§
33 Abs. 3, 1 GWB) im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an der Beklagten zu 2).
Die Antragstellerinnen bzw. Zedentinnen sind vornehmlich Investmentfonds. Die Beklagte zu 1) ist eine im Jahre 2007 als Rechtsnachfolgerin der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG durch Umwandlung entstandene Holdinggesellschaft. Die Beklagte zu 2) ist ein Automobilhersteller.
Die Beklagte zu 1) erwarb bis zum 28.03.2007 30,93 % der Stammaktien der Beklagten zu 2). Die Beteiligung erhöhte sich per 16.09.2008 auf 35,14 % und belief sich per 26.10.2008 auf 42,6 %. Neben der Beklagten zu 1) hielten das Land Niedersachsen etwa 20,1 % und die Porsche AG Salzburg 2,37 % der VW-Stammaktien. Daneben erwarb die Beklagte zu 1) von der Maple Bank GmbH in erheblichem Umfang auf Barausgleich gerichtete Kauf-Optionen (sog. cash settled calls bzw. cash gesettelte Call-Optionen) auf Stammaktien der Beklagten zu 2) und verkaufte auf Barausgleich gerichtete Verkaufsoptionen (cash settled puts) auf Stammaktien der Beklagten zu 2), wobei dies zum Teil kombiniert mit dem Erwerb der Call-Optionen, zum Teil isoliert („naked“) erfolgte. Die Maple Bank sicherte sich ihrerseits ab, indem sie entweder selbst Stammaktien der Beklagten zu 2) erwarb und/oder Sicherungsgeschäfte einging. Am 24.10.2008 besaß die Beklagte Call-Optionen auf 31,5 % der Stammaktien der Beklagten zu 2).
Am 03.03.2008 teilte die Beklagte zu 1) per Ad-Hoc-Mitteilung mit, der Aufsichtsrat habe grünes Licht für die Erhöhung der Beteiligung an der Beklagten zu 2) auf über 50 % gegeben. Am 10.03.2008 wies sie mit einer Pressemitteilung Medienberichte zurück, wonach das Unternehmen beabsichtige, seinen VW-Anteil auf 75 % aufzustocken. Die Spekulation, auf 75% zu gehen, übersehe die Realitäten der Aktionärsstruktur von VW. Die Wahrscheinlichkeit sei äußerst gering, die dafür notwendigen Aktien aus dem Streubesitz zu erwerben. Am 23.07.2008 erteilte der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) einem Beteiligungsaufbau auf über 75% seine Zustimmung.Am 20.10.2008 fand eine weitere außerordentliche Aufsichtsratssitzung statt, in der der Aufsichtsrat der Beklagten zu 1) die Strategie billigte, den Anteil an der Beklagten zu 2) auf 75% zu erhöhen.
Der Durchschnittskurs der VW-Stammaktie (Xetra) betrug per 16.10.2008 398,84 EUR und per 24.10.2008 210,85 EUR.
Am 26.10.2008 veröffentlichte die Beklagte zu 1) folgende Presseinformation:
Porsche strebt Beherrschungsvertrag an
Volkswagenanteil auf 42,6 Prozent aufgestockt
Stuttgart, 26. Oktober 2008. Aufgrund der dramatischen Verwerfungen auf den Finanzmärkten hat sich die Porsche Automobil Holding SE, Stuttgart, am Wochenende entschlossen, ihre Aktien und Kurssicherungspositionen im Zusammenhang mit der Übernahme der Volkswagen AG, Wolfsburg, offen zu legen. Demnach hält die Porsche SE am Ende der vergangenen Woche 42,6 Prozent der Volkswagen Stammaktien sowie zusätzlich 31,5 Prozent cash gesettelte Optionen auf Volkswagen Stammaktien zur Kurssicherung, was in der Summe einen Betrag von 74,1 Prozent ergibt. Bei Auflösung dieser cash gesettelten Optionen erhält Porsche die Differenz zwischen dem dann aktuellen Volkswagen Kurs und dem darunter liegenden Absicherungskurs (dem sogenannten "Strike") ausbezahlt. Die Volkswagen Papiere werden zum jeweils aktuellen Kurs gekauft.
Zielsetzung ist, sofern die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen, im Jahr 2009 auf 75 Prozent aufzustocken und damit den Weg für einen Beherrschungsvertrag frei zu machen. An dem Fahrplan, noch im November/Dezember 2008 die 50 Prozent Hürde bei VW zu nehmen, wird unverändert festgehalten.
Porsche hat sich zu dieser Bekanntgabe entschlossen, nachdem offenkundig geworden ist, dass deutlich mehr Shortpositionen im Markt sind als erwartet. Die Offenlegung soll deshalb den sogenannten Shortsellern - also Finanzinstituten, die auf einen fallenden VW Kurs gewettet haben oder noch wetten - Gelegenheit geben, ihre Positionen in Ruhe und ohne größeres Risiko aufzulösen.
Hinzu kommt, dass nach Presseberichten vom Wochenende die EU Kommission schon in überschaubarer Zukunft die von der Bundesregierung geplante Neuauflage des VW Gesetzes als europarechtswidrig einstufen wird. Es ist zu erwarten, dass in der Folge eine erneute Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht wird.
Auch die Tatsache, dass sich die Porsche Eigentümerfamilien Porsche und Piech geschlossen und uneingeschränkt hinter das Vorgehen der Porsche SE Vorstände Dr. Wendelin Wiedeking und Holger Härter stellen, bestärkte den jetzt erfolgten Schritt zur Offenlegung. Wie berichtet, haben sich vergangene Woche die Familien eindeutig für eine Beherrschung des Volkswagen Konzerns durch Porsche ausgesprochen.
Der Durchschnittskurs der VW-Stammaktie (Xetra) stieg per 27.10.2008 auf 520,00 EUR und per 28.10.2008 auf 945,00 EUR an. Am 29.10.2008 kündigte die Beklagte zu 1) an, bis zu 5 % ihrer Kurssicherungsgeschäfte auflösen zu wollen, was sie in der Folgezeit in geringerem Umfang tat.
Die Antragstellerinnen behaupten, die Vorstände der Beklagten zu 1) Dr. W. Wiedeking und H. Härter hätten jedenfalls schon am 09.03.2008 vorgehabt, die Beklagte zu 2) zu übernehmen. Die gegenteiligen Äußerungen hätten lediglich dazu gedient, die beabsichtigten Käufe nicht durch Kurssteigerungen aufgrund von Übernahmephantasien zu verteuern. Die Pressmitteilung vom 10.03.2008 sei daher unrichtig und irreführend gewesen. Im Oktober 2008 sei der Beklagten zu 1) bewusst geworden, dass eine Übernahme von VW aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gründen nicht mehr realisierbar gewesen sei. Die dafür erforderlichen finanziellen Mittel hätten der Beklagten zu 1) gefehlt. Aufgrund der Regelungen des VW-Gesetzes und der Beteiligung des Landes Niedersachen sei ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht ohne Zustimmung des Landes Niedersachsen möglich gewesen, die nicht erteilt worden wäre. Die Presseerklärung vom 26.10.2008 sei daher unrichtig gewesen und habe allein dazu gedient, einen Kursverfall der Stammaktie der Beklagten zu 2) zu beenden und einen „short-squeeze“ auszulösen. Diese Umstände seien auch der Beklagten zu 2) bekannt gewesen; zudem meinen sie, dass der Beklagten zu 2) das Wissen ihrer Aufsichtsratsmitglieder zuzurechnen sei.
Die Antragstellerinnen behaupten, sie bzw. die Zedentinnen hätten im Vertrauen auf die Richtigkeit der Mitteilung vom 10.03.2008 und deren Bestätigung in der Folgezeit bis zum 25.10.2008 Stammaktien der Beklagten zu 2) unter deren tatsächlichem Wert veräußert. Ferner hätten sie bzw. die Zedentinnen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Pressemitteilung vom 26.10.2008 Deckungskäufe für zuvor von ihnen leer verkaufte Stammaktien der Beklagten zu 2) zu überhöhten Kursen getätigt.
Sie sind ferner der Ansicht, dass die Beklagten sowohl nach §§
37 b,
37 c WpHG als auch nach §
826 BGB auf Ersatz des Kursdifferenzschadens hafteten, ohne dass es auch hinsichtlich der letztgenannten Anspruchsgrundlage auf den Nachweis der Ursächlichkeit der Pressemitteilungen für die jeweilige Willensbildung ankomme.
Ferner meinen die Antragstellerinnen, die Beklagte zu 1) habe eine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem sie die Pressemitteilungen veröffentlicht habe. Zudem stelle ihr Verhalten auch eine unlautere geschäftliche Handlung dar, woraus sich Ansprüche aus §
9 UWG ergäben.
II.
1.
Das Landgericht Hannover ist für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts nach §
6 Abs. 2 KapMuG nicht gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters zum KapMuG sind bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung keine gleichgerichteten Anträge bekannt gemacht worden.
2.
Der Musterverfahrensantrag ist statthaft, denn die geltend gemachten Ansprüche fallen in den Anwendungsbereich des §
1 KapMuG. Nach §
1 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG sind dessen Vorschriften insbesondere in Rechtstreitigkeiten anwendbar, in denen Schadensersatzansprüche wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen geltend gemacht werden.
Dies ist hier der Fall. Die Antragsteller begründen ihre Klagen u.a. mit falschen bzw. irreführenden Kapitalmarktinformationen durch die Antragsgegnerin zu 1. durch die von ihr veröffentlichten Pressemitteilungen bzw. mit der Unterlassung richtiger Kapitalmarktinformationen. Bei den Mitteilungen der Antragsgegnerin zu 1. handelt es sich um öffentliche Kapitalmarktinformationen im Sinne des §
1 Abs. 2 Satz 1 KapMuG, da es sich hierbei insbesondere im Hinblick auf die Angaben zur Übernahme der VW-AG um Informationen über Tatsachen handelt, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind und einen Emittenten von Wertpapieren, die VW-AG, betreffen. Eine Identität zwischen dem Anspruchsgegner und dem betroffenen Emittenten ist nach dieser Regelung nicht erforderlich.
3.
Die Kammer hat von der gem. §
3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen Veröffentlichung der Musterverfahrensanträge nach §
3 Abs. 4 KapMuG abgesehen, weil die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Oberlandesgericht nach §
6 Abs. 1 S. 1 KapMuG bereits vorliegen. Das nach §
6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG erforderliche Quorum ist erreicht. Bei der Kammer sind insgesamt mehr als zehn gleichgerichtete Musterverfahrensanträge in den folgenden Ausgangsverfahren anhängig:
18 O 333/14
18 O 89/15
18 O 96/15
18 O 175/15
Bei der Bemessung des Quorums kommt es nicht auf die Anzahl der Verfahren an, sondern auf die Zahl der Antragsteller an, da die mehreren Prozessrechtsverhältnisse durch die - einfache - Streitgenossenschaft lediglich zu einem äußerlich einheitlichen Verfahren miteinander verbunden sind und es sich der Sache nach um selbständige Verfahren handelt (
BGHZ 176, 170 Rn 8 ff.). Dementsprechend liegen bereits in diesem Verfahren 18 O 175/15 weit über 10 Musterverfahrensanträge vor, da an diesem Verfahren (noch) 30 Klägerinnen beteiligt sind.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zu 2) handelt es sich auch um gleichgerichtete Musterverfahrensanträge, da deren Feststellungsziele den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betreffen (vgl. hierzu Kölner Kommentar zum KapMuG-Vollkommer, 2. Aufl. §6 Rn 6). Dieser ist nicht nach den in Bezug genommenen Anspruchsgrundlagen der Ausgangsverfahren, sondern in natürlicher Weise nach dem Kernpunkt der zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten zu erfassen. Der Lebenssachverhalt ist dabei weit zu verstehen, da das KapMuG dem Musterverfahren einen möglichst großen Anwendungsbereich verschaffen wollte (a.a.O. Rn 8). Die Beurteilung der Gleichgerichtetheit der Musterverfahrensanträge richtet sich daher weder nach der Identität der Feststellungsziele noch der Identität der in Anspruch genommenen Schuldner, sondern nach der Identität des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts (a.a.O. Rn. 9, Rn. 28). Bei gegen mehrere Schuldner gerichteten Ansprüchen genügt es, wenn sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind (a.a.O. Rn 28).
Danach ist hier die Gleichgerichtetheit der Musterverfahrensanträge zu bejahen, da sie sich insgesamt auf die Vorgänge im Zusammenhang mit der versuchten Übernahme der Antragsgegnerin zu 2) durch die Antragsgegnerin zu 1) und damit auf einen bei natürlicher Betrachtungsweise identischen Lebenssachverhalt beziehen. Zudem sind die gegen beide Antragsgegnerinnen gerichteten Ansprüche auf die Durchsetzung desselben Ziels gerichtet.
4.
Die Musterverfahrensanträge sind zulässig.
a) Soweit in dem Verfahren 18 O 175/15 für einen Teil der Klägerinnen die Parteifähigkeit, die Legitimation ihrer gesetzlichen Vertreter und das Vorliegen einer wirksamen Prozessvollmacht im Streit steht, steht dies der Zulässigkeit ihrer Musterverfahrensanträge nicht entgegen. Denn diese Klägerinnen und ihr Prozessbevollmächtigter sind mit Beschluss der Kammer vom 13.04.2016 zur Prozessführung zugelassen worden, so dass alle Prozesshandlungen wirksam sind.
b) Es ist nicht festzustellen, dass die Musterverfahrensanträge zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt sind (§
3 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG).
Eine Prozessverschleppung setzt objektiv eine erhebliche Verzögerung voraus, also eine erheblich längere Dauer des Prozesses bei Durchführung eines Musterverfahrens als bei ungestörter Fortsetzung des Ausgangsverfahrens, wobei die systemimmanente Verzögerung eines Verfahrens durch die Stellung eines Musterverfahrensantrags nicht zu berücksichtigen ist, so dass nur auf eine unzumutbare Verzögerung abgestellt werden kann (vgl. Kruis, Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. § 3 Rn 82, 84). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass wegen des bereits erreichten Quorums keine Verzögerung durch die Veröffentlichung nach §
3 Abs. 3 Satz 1 KapMuG und das Abwarten der Sechs-Monatsfrist des §
6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG entsteht. Zudem sind die genannten Verfahren erst seit 2015 bzw. 2014 bei der Kammer anhängig und konnten noch nicht zur Hauptsache verhandelt werden, so dass sämtliche Verfahren zunächst zur mündlichen Verhandlung zu terminieren wären. Zudem kann auch im Hinblick auf die Belastung der Kammer mit dem auf dem gleichen Lebenssachverhalt beruhenden Verfahren
18 O 159/13 und weiteren äußerst umfangreichen Kartellsachen nicht festgestellt werden, dass ein Musterverfahren erheblich länger dauerte als die Fortführung der Prozesse bei der Kammer.
Allein eine späte Antragstellung begründet ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine Unzulässigkeit wegen Prozessverschleppung (vgl. Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, 2. A., § 3 Rn 90), so dass allein darauf, dass die Musterverfahrensanträge in den Verfahren 18 O 333/14, 18 O 89/15 und 18 O 96/15 erst geraume Zeit nach Klagerhebung gestellt worden sind, nicht abgestellt werden kann. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Musterverfahrensantrag in dem Verfahren 18 O 175/15 bereits in der Klagschrift gestellt worden ist. Insoweit führt die Durchführung eines Musterverfahrens hier auch nicht etwa zu einer unnötigen Verfahrensausweitung, sondern vielmehr zu einer Verfahrensvereinfachung (vgl. BGH a.a.O. Rn. 13).
Hinzu kommt, dass auch eine subjektive Verschleppungsabsicht nicht festzustellen ist. Diese ist nach dem Wortlaut der Vorschrift und den Gesetzesmaterialien (vgl.
BT-Drs. 17/8799, S. 18) Voraussetzung des §
3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG. Hinreichende Indizien für eine solche Verschleppungsabsicht liegen nicht vor. Allein die Vermutung, die Antragstellerinnen wollten aus dem Strafverfahren weitere Erkenntnisse gewinnen, reicht hierfür insbesondere auch mit Blick auf eine objektiv nicht kurzfristig zu erwartende Entscheidung der Kammer in den Ausgangsverfahren nicht aus.
c) Die Abhängigkeit der Entscheidungen der zugrunde liegenden Rechtstreitigkeiten von den einzelnen Feststellungszielen fehlt nicht deswegen, weil die Ansprüche der Antragstellerinnen - insbesondere wegen Verjährung - insgesamt abweisungsreif wären.
Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Abhängigkeit der Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtstreitigkeit von den einzelnen Feststellungszielen abstrakt zu beurteilen; es genügt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abhängen kann. Nicht erforderlich ist daher, dass sämtliche übrigen Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfragen geklärt sind und es nur noch auf die Klärung der Feststellungsziele ankommt (
BT-Drs. 17/8799, S. 18, 20). Die übrigen individuellen Anspruchsvoraussetzungen sind erst nach der Durchführung eines Musterverfahrens zu klären (
BT-Drs. 17/8799, S. 18 m.w.N.).
Jedenfalls dann, wenn die Sache ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele eines Musterverfahrens entscheidungsreif ist, fehlt es an der Abhängigkeit der Entscheidung des Rechtsstreits von den geltend gemachten Feststellungszielen. Grund dafür ist, dass durch das Musterverfahren in solchen Fällen keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich werden können, und es den Prozessparteien deswegen auch nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Musterverfahrens abzuwarten (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2016 –
III ZB 88/15 –, Rn. 14, m.w.N.).
Im vorliegenden Verfahren ist die Abhängigkeit der Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtstreitigkeit von den einzelnen Feststellungszielen zu bejahen. Die Entscheidung der Rechtstreitigkeiten hängt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von den Feststellungszielen ab.
Die Rechtstreitigkeiten sind auch nicht etwa ohne weitere Beweiserhebungen und ohne Rückgriff auf die Feststellungsziele entscheidungsreif. Denn nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist nicht festzustellen, dass die Verjährungseinrede der Beklagten gegenüber den Klägerinnen durchgreift. Der Verjährungsbeginn ist im Hinblick auf die Frage der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände jeweils individuell festzustellen. Diese Feststellungen sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, da es an einer entsprechenden Tatsachengrundlage fehlt.
Im Übrigen fehlt dem klägerischen Vorbringen auch nicht die erforderliche Schlüssigkeit, da der Tatsachenvortrag, seine Richtigkeit unterstellt, geeignet ist, das klägerische Begehren sachlich zu rechtfertigen.
Schließlich ergibt sich auch aus dem ins Feld geführten Strafurteil des LG Stuttgart keine andere Beurteilung, da diesem keine Bindungswirkung zukommt. Eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile ist mit der das Zivilprozessrecht beherrschenden freien Beweiswürdigung nicht vereinbar (BGH, Beschluss vom 16. März 2005 –
IV ZR 140/04 –, Rn. 2).
d) Zu den Feststellungsanträgen im Einzelnen (Anmerkung: Zur besseren Übersicht ist die Nummerierung aus dem umfassenden Antrag aus dem beide Beklagte betreffenden Ursprungsverfahren 18 O 89/15 beibehalten worden; teilweise war es erforderlich, Feststellungsziele anderen Komplexen zugeordnet):
Das Feststellungsziel I. betreffend das Bestehen eines faktischen Konzerns im Sinne des AktG ist unzulässig. Es kommen keine Ansprüche aus dem AktG in Betracht, insbesondere sind die Voraussetzungen etwa des §
400 AktG nicht dargelegt, so dass der Rechtsstreit nicht von dieser Frage abhängt. Im Übrigen ist der Kern dieser Frage, soweit es um die Wissenszurechnung bezüglich der Beklagten zu 2) geht, bereits von den entsprechenden Feststellungsanträgen zur Wissenzurechnung umfasst.
Das Feststellungsziel II.1. betreffend die konkrete Beherrschungsabsicht der Vorstände der Beklagten zu 1) ist zulässig. Die Beurteilung, ob eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorliegt, ist hiervon abhängig.
Die Feststellungsziele II.2. und II. 3. betreffend die Frage der Kenntnis der Aufsichtsräte der Beklagten zu 2) von der konkreten Beherrschungsabsicht und deren Zurechnung gegenüber der Beklagten zu 2) sind zulässig, da die Entscheidung des Rechtstreits hiervon abhängt. Die Rechtsfrage betreffend die Wissenzurechnung ist klärungsbedürftig. Eine abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert hierzu nicht. Aus der Kommentarliteratur ist ersichtlich, dass gerade auch unter Berücksichtigung des Bestehens eines (faktischen) Konzerns Fragen der Wissenszurechnung insbesondere bei Personalunion diskutiert werden (vgl. Münchener Kommentar zum AktG/Spindler, 4. A., § 78 Rn 99).
Das Feststellungsziel II.4. betreffend die Kenntnis der Beklagte zu 2) von der konkreten Beherrschungsabsicht ist zulässig. Die Antragstellerinnen haben hierzu als Beweismittel den bisherigen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2) Winterkorn benannt. Dieser ist seit seinem Ausscheiden aus dem Vorstand nunmehr als Zeuge zu vernehmen.
Die Feststellungsziele zu II.5-8. betreffend die Voraussetzungen der §§
13,
15,
37 b und
37 c WpHG stehen im Zusammenhang mit der Rechtsfrage nach der sogenannten Aktivlegitimation von Anspruchstellern gegenüber der Beklagten zu 1) (Feststellungsziel zu VIII.1.). Diese Rechtsfrage zielt darauf ab, ob diese Normen unter Berücksichtigung der behaupteten konzernrechtlichen und personellen Verflechtung der Beklagten auch gegenüber der Beklagten zu 1) auf Finanzinstrumente der Beklagten zu 2) anzuwenden sind. Diese Rechtsfrage erscheint zweifelhaft und damit klärungsbedürftig. Soweit ersichtlich, liegt zu diesem Themenkreis lediglich eine Entscheidung des OLG Frankfurt (Urteil vom 18.04.2007-
21 U 71/06, Rn 71) vor. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass von der Klägerin keine entscheidungserheblichen Grundsatzfragen ordnungsgemäß aufgezeigt worden seien (BGH, Beschluss vom 21.07.2008 -
II ZR 283/07). Eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung liegt damit nicht vor.
Für die Beklagte zu 2) kommt es auf diese Fragen an, da ein Anspruch nach §
37 b WpHG in Betracht kommt. Soweit das Feststellungsziel zu II.6. auch auf §
37 c WpHG Bezug nimmt, kommt es darauf nicht an, da es in diesem Komplex nicht um die Veröffentlichung einer Ad-Hoc-Mitteilung geht.
Das unter VIII.2. aufgeführte Feststellungsziel betreffend die Frage der Schutzgesetzeigenschaft des §
20 a WpHG ist unzulässig. Daraus ergibt sich zugleich, dass die weiteren hierauf gerichteten Feststellungsziele unter Ziffern II.9., III.6., III.7., IV.3., IV.4., V.9., VI.3., VI.4., VII.3., VII.4. und IX.3. nicht entscheidungserheblich und damit unzulässig sind.
Die unter VIII.2. aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, so dass es an der Abhängigkeit gem. §
3 Abs. 1 Nr 1 KapMuG fehlt (vgl. Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, 2. A., § 2 Rn 69 ff.; vgl. BT-Ds. 17/8799 S. 18). Denn die Frage der Schutzgesetzeigenschaft des §
20 a WpHG hat der Bundesgerichtshof in ausführlicher Auseinandersetzung mit den hierzu vertretenen Ansichten mit Urteil vom 13.12.2011 (
NJW 2012, 1800 -IKB) verneint. Ein weiterer Klärungsbedarf ist nicht aufgezeigt. Allein der Umstand, dass in der 2. Auflage des Kölner Kommentars zum WpHG weiterhin die Gegenauffassung vertreten wird, begründet auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten einen solchen Klärungsbedarf nicht, nachdem sich der BGH in der zitierten Entscheidung bereits mit dieser Auffassung und den europarechtlichen Grundlagen auseinandergesetzt hat. Neue Argumente, die den BGH zu einer Überprüfung seiner Auffassung veranlassen könnten (vgl. hierzu Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 543 Rn. 5a; Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, 2. A., § 2 Rn 72), werden nicht aufgezeigt.
Die Feststellungsziele zu II.10. und II.11. betreffend die Haftung nach §
826 BGB sind entscheidungserheblich.
Für die Feststellungsziele III.1.-III.5.c. betreffend die Haftung nach dem WpHG für die die Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 gelten die obigen Ausführungen entsprechend.
Die Feststellungsziele III.8. und III.9. betreffend die Voraussetzungen des §
826 BGB im Zusammenhang mit der Ad hoc-Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 03.03.2008 sind entscheidungserheblich.
Die unter IV. vorangestellten Feststellungsziele („wie vor zum Komplex III. (Ad hoc vom 03.03.2008)“ betreffend die Frage des Vorliegens einer die Beklagten unmittelbar betreffenden Insiderinformation bezüglich der Mitteilung der Beklagten zu 1) vom 10.03.2008 sind nicht entscheidungserheblich. Die Anwendung von §
37 c WpHG kommt für die Beklagte zu 1) auch nach Auffassung der Antragstellerinnen nicht in Betracht, da diese Norm auf bloße Pressemitteilungen keine Anwendung findet. §
37 b Abs. 1 WpHG kommt bezüglich der Beklagten zu 1) nicht in Betracht, da es bei der veröffentlichten Pressemitteilung vom 10.03.2008 gerade nicht um die Unterlassung der Veröffentlichung einer Insiderinformation geht. Bezüglich der Beklagten zu 2) kommt ein Unterlassen im Sinne des §
37 b Abs.1 WpHG bezogen auf die Pressemitteilung der Beklagten zu 1) keine eigenständige Bedeutung zu.
Anderes gilt für die Feststellungsziele IV.1.-IV.9. Die Entscheidung des Rechtsstreits ist von diesen abhängig, da sie von Bedeutung für die Frage der Haftung der Beklagten sind.
Gleiches gilt für die unter IV.10.und IV.11. in diesem Zusammenhang beantragten Feststellungsziele zu §
826 BGB.
Die Feststellungsziele unter V.1., V.2. und V.7. betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 sind unzulässig, da der Sachverhalt insoweit unstreitig ist. Dem Antrag fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis (Kölner Kommentar zum KapMuG/Kruis, a.a.O., § 2 Rn 94).
Hinsichtlich der Feststellungsziele V.3. und V.4. betreffend die Kenntnis der Aufsichtsräte der Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 2) von dem Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 gelten die Ausführungen zu den Feststellungszielen II. 3. und II. 4 entsprechend.
Die Feststellungsziele zu V.5., V.6., V.7.a. und V.8. sind unter dem Gesichtspunkt der wertpapierrechtlichen Haftung der Beklagten entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele zu V.10. und V.11. betreffend die Voraussetzungen des §
826 BGB im Hinblick auf die Unterlassung der Beklagten zu 1) und zu 2) von der unverzüglichen Mitteilung betreffend den Aufsichtsratsbeschluss vom 23.07.2008 sind entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele VI. 1a.-e., VI.2., VI.5, VI.6., VI.7, VI.8.a. und VI.9. betreffend die Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 sind für die wertpapierrechtliche Haftung der Beklagten von Bedeutung und daher entscheidungserheblich.
Das Feststellungsziel zu VI.8. ist unstreitig und daher unzulässig.
Die Feststellungsziele zu VI.10. und VI.11. betreffen die Voraussetzungen des §
826 BGB im Zusammenhang mit den Äußerungen vom 23.07.2008, 28.07.2008, 16.09.2008, 18.09.2008 und 05.10.2008 und sind daher entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele VII.1, VII.2., VII.5, VII.6., VII.7., VII.8., VII.8.a., VII.9., VII.10. und VII.11. sind für die wertpapierrechtliche und deliktsrechtliche Beurteilung des Rechtsstreits erheblich.
Das Feststellungsziel VIII.3. betreffend die Verwirklichung der objektiven Tatbestandsmerkmale des §
263 StGB ist unzulässig. Der Tatbestand des §
263 StGB enthält das subjektive Merkmal des Irrtums auf der Seite der Geschädigten, das nicht verallgemeinerungsfähig ist (vgl. Kölner Kommentar zum WpHG/Kruis, a.a.O. § 2 Rn 32).
Das Feststellungsziel zu VIII.4. (im Tenor unter lit. a.-c. den einzelnen Komplexen zugeordnet) betreffend die Mittäterschaft oder Beteiligung der Beklagten zu 2) an deliktischen Handlungen ist entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele IX.1. und IX.2. bezüglich der Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität bei §
37b, §
37 c WpHG sind unzulässig.
Die aufgeworfene Rechtsfrage ist nicht entscheidungserheblich, da sie höchstrichterlich geklärt ist. Nach allgemeiner Ansicht und höchstrichterlicher Rechtsprechung ist es Sache der Antragstellerinnen, die Kausalität der Pflichtwidrigkeit für den geltend gemachten Kursdifferenzschaden darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH
NJW 2012, 1800 Rn 67; Baumbach/Hopt/Kumpan, HGB, 36.A., § 37 b WphG Rn 6; Assmann/Uwe H. Schneider-Sethe, WpHG, 6.A., §
37c WpHG Rn 97). Eine gegenteilige Auffassung wird von den Antragstellerinnen nicht aufgezeigt.
Das Feststellungsziel IX.4. betreffend die Rechtsfrage der Darlegungs- und Beweislast für die haftungsbegründende Kausalität im Rahmen des §
826 BGB bei der Geltendmachung eines Kursdifferenzschadens ist unzulässig.
Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist im hier betroffenen Bereich der Informationsdeliktshaftung geklärt, dass der Anspruchssteller auch bei Geltendmachung eines Differenzschadensersatzanspruchs die Kausalität der Falschinformation für seinen Willensentschluss darlegen und beweisen muss (vgl. BGH
NJW 2004, 2664, 2666 ff.-Infomatec;
WM 2007, 684 Rn 9; NJW 2008, 1004 Rn 13). Auch wenn diese Rechtsprechung Kritik erfahren hat (vgl. dazu Münchner Kommentar zum BGB/Wagner, 6.A., § 826 Rn 79; Assmann/Schneider-Sethe, WpHG, 6.A., § 37 c Rn 148), stellt sie sich angesichts der Vielzahl von Entscheidungen als eine gefestigte Rechtsprechung dar. Konkrete Anhaltspunkte, die eine Änderung der Rechtsprechung erwarten ließen (vgl. Kölner Kommentar zum WphG/Kruis a.a.O. § 2 Rn 71), zeigen die Antragstellerinnen nicht auf.
Die Feststellungsziele X.1. und X.2. betreffend die Feststellung des Kursdifferenzschadens bzw. des Deckungskurses sind nicht zulässig. Diese Feststellungen sind auf den jeweiligen individuellen Schaden bezogen, der nicht verallgemeinerungsfähig ist (vgl. Kölner Kommentar zum WpHG/Kruis, a.a.O., § 2 Rn 32). Der hypothetische Kurs, der sich bei pflichtgemäßem Verhalten des Emittenten im Sinne der §§
37 b,
37 c WpHG zum Zeitpunkt der jeweiligen Transaktion gebildet hätte, kann für die Vielzahl der einzelnen Transaktionen, die zudem über einen längeren Zeitraum erfolgt sind, nicht einheitlich festgestellt werden.
Die Feststellungsziele XI.1.-XI.8. betreffend die kartellrechtliche Haftung der Beklagten sind entscheidungserheblich. Auch insoweit ist der Anwendungsbereich des §
1 KapMuG eröffnet, da die Klägerinnen auch diesbezüglich Schadensersatzansprüche wegen falscher bzw. irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend machen. Aus welcher Anspruchsgrundlage sich die geltend gemachten Ansprüche ergeben, ist unerheblich (vgl. Kruis, Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., § 1 Rn 70).
Die Feststellungsziele XII.1.-XII.7. betreffend die wettbewerbsrechtliche Haftung der Beklagten sind entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele XIII.1. und XIII.2. betreffend die Voraussetzungen der geltend gemachten Zinsansprüche sind entscheidungserheblich.
Die Feststellungsziele zu XV. 1.-3. bezüglich der Eignung der Pressemitteilung vom 26.10.2008 zur Kenntnisverschaffung im Sinne der Verjährungsvorschriften sind unzulässig. Es handelt sich um einen individuellen, nicht verallgemeinerungsfähigen Umstand, der nicht musterverfahrensfähig ist (vgl. Kölner Kommentar zum WpHG-Kruis, a.a.O., § 2 Rn 36 m.w.N.).
5.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Hannover, den 13.04.2016
Fredrich Dr. Wehrhahn Caesar