Kammergericht
Az.:
14 Kap 1/19Musterentscheid
In dem Kapitalanleger-Musterverfahren
1)
persönliche Daten entfernt - Musterkläger -
2)
persönliche Daten entfernt - Musterklägerin -
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Gz.: 11123/17
gegen
1)
persönliche Daten entfernt - Musterbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schukran Schudnagies & Krüger Rechtsanwälte PartGmbB, Schlüterstraße 42, 10707 Berlin, Gz.: 139/20
2)
persönliche Daten entfernt - Musterbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schukran Schudnagies & Krüger Rechtsanwälte PartGmbB, Schlüterstraße 42, 10707 Berlin, Gz.: 505/17
3)
persönliche Daten entfernt - Musterbeklagter -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wüterich, Breucker, Charlottenstraße 22, 70182 Stuttgart, Gz.: 795/17
hat das Kammergericht - 14. Zivilsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Kingreen, die Richterin am Landgericht Koch und den Richter am Kammergericht Dr. Kroymann aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.06.2021 beschlossen:
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und unvollständig ist, da er auf ein bestehendes Totalverlustrisiko nicht hinweist.
2. Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 wegen ihrer Funktion als Organ der Vertragsgesellschaften der Rundholzkäufer der Lignum-Gruppe für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich sind.
3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1 aufgeführten Prospektmängel für die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 erkennbar waren.
4. Die Anträge zu den Feststellungszielen, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
a) die Werthaltigkeit der dinglichen Sicherheit fehlerhaft darstellt, indem der Prospekt nicht darauf hinweist, dass das bulgarische Pfandrecht nach Art. 30 Abs. 2 Gesetz über das besondere Pfandrecht vom 8. November 1996 alle fünf Jahre im Register erneuert werden muss und es andernfalls hinfällig wird,
b) keine Ausführungen zum Schlüsselpersonenrisiko enthält,
c) keine Ausführungen zur Tätigkeit des Musterbeklagten zu 1 als Geschäftsführer der insolventen Torc-Bau GmbH enthält,
d) keinen Hinweis auf die nicht vorhandene KWG-Genehmigung nach §
32 KWG enthält,
werden zurückgewiesen.
Gründe:I.
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) im Wesentlichen über die Richtigkeit von Verkaufsprospekten zu Rundholzkaufverträgen mit der Bezeichnung „NobilisPriva“ bzw. „nobilisPriva“ (im Folgenden einheitlich „NobilisPriva“) in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015.
Der Musterbeklagte zu 1 war zunächst alleiniger Vorstand der LIGNUM Holding AG. Der Musterbeklagte zu 2 wurde am 6. April 2011 neben dem Musterbeklagten zu 1 als Vorstand der LIGNUM Holding AG im Handelsregister eingetragen und war Geschäftsführer anderer mit dieser Gesellschaft verbundener Gesellschaften. Die LIGNUM Holding AG war Gesellschafterin der LIGNUM Edelholz Investitionen AG; später war sie Mitgesellschafterin der LIGNUM Edelholz Investitionen AG zusammen mit dem Musterbeklagten zu 3.
Aufgrund Gesellschafterbeschluss vom 17. Juni 2013 wurde die LIGNUM Holding AG formwechselnd in die LIGNUM Holding GmbH umgewandelt. Geschäftsführer der LIGNUM Holding GmbH waren die Musterbeklagten zu 1 und 2.
Der Musterbeklagte zu 1 war ferner Alleingeschäftsführer und ab 2011 neben dem Musterbeklagten zu 2 Mitgeschäftsführer der LIGNUM Management GmbH, die ab Mitte 2009 Alleingesellschafterin der LIGNUM Holding AG bzw. LIGNUM Holding GmbH war.
Der Musterbeklagte zu 3 war ab 2005 alleiniger Vorstand der LIGNUM Edelholz Investitionen AG, die später als Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG und danach als LIGNUM Sachwert Edelholz AG firmierte.
Als Verantwortliche für den Verkaufsprospekt „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012 wird in diesem die Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG, als Mitverantwortliche die „Lignum Holding AG“ benannt (S. 5 des Prospekts unter der Überschrift „Prospektverantwortlichkeit“).
Der Verkaufsprospekt „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2013 benennt als Prospektverantwortliche die Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG und als Mitverantwortliche die „Lignum Holding GmbH“ (S. 5 des Prospekts unter der Überschrift „Prospektverantwortlichkeit“).
In der Fassung des Verkaufsprospekts „NobilisPriva“ vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 werden als Prospektverantwortliche die LIGNUM Sachwert Edelholz AG und als Mitverantwortliche die LIGNUM Holding AG bezeichnet (jeweils S. 3 des Prospekts unter der Überschrift „Prospektverantwortlichkeit“).
Gemäß den Prospekten und den diesen jeweils anliegenden Musterverträgen war vorgesehen, dass die Anleger als „Käufer“ (Prospektfassung vom 1. November 2012 und 1. November 2013) bzw. “Erwerber“ (Prospektfassung vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015) direkt in Edelholz-Aufforstungen in Bulgarien investierten, indem sie eine bestimmte Menge näher bezeichneten europäischen Edelholz-Rundholzes (Robinie, Kirsche, Maulbeere, Schwarznuss) von dem „Anbieter“ Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG (Prospektfassung vom 1. November 2012 und 1. November 2013, Anhang „Vertrag über die Sachwertanlage in europäisches Edelholz“) bzw. LIGNUM Sachwert Edelholz AG (Prospektfassung vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015, Anhang „Vertrag über Europäisches Edelholz“) kauften. In den Musterverträgen war jeweils als dritte Vertragspartei die LIGNUM Holding AG bzw. LIGNUM Holding GmbH aufgeführt, die im Rubrum der Verträge als „Sicherungsgeber“ bezeichnet wurde.
Gemäß dem Prospekt und den dort jeweils in Ziff. 3 („Vertrag“) in Bezug genommenen Musterverträgen sollte der jeweilige Kaufpreis gleich nach Vertragsschluss gezahlt werden; nach Ziff. 5 der Prospektfassungen vom 1. November 2012 und 1. November 2013 („Ihr Gesamt-Rückfluss und Ihre Rendite“) war auch eine Ratenzahlung möglich. Das gekaufte Edelholz-Rundholz sollte dagegen erst viele Jahre später geliefert werden. Die in den Musterkaufverträgen genannten Lieferjahre für das von den Anlegern zu erwerbende Edelholz lagen zwischen acht und 23 Jahre nach der jeweils beispielhaft angegebenen Fälligkeit des Kaufpreises.
In den Prospekten und Verträgen war vorgesehen, dass der Anbieter auch den Verkauf des jeweils zu liefernden Edelholzes an Dritte besorgen wird, sofern die Käufer den Verkauf nicht selbst vornehmen wollen und dies dem Anbieter sechs Monate vor Beginn des jeweiligen Lieferjahres schriftlich mitteilen. Im ersteren Falle sollten die jeweiligen Käufer einen Rückfluss/Erlös aus dem Verkauf erhalten. Im zweiten Falle sollte der jeweilige Käufer berechtigt sein, den Lieferort für das Edelholz zu bestimmen.
In den Prospektfassungen vom 1. November 2012 und 1. November 2013 wird unter Ziff. 5 („Ihr Gesamt-Rückfluss und Ihre Rendite“) die „prognostizierte Bandbreite“ des „Gesamt-Rückflusses“ in einem Diagramm dargestellt. In den Fassungen vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 heißt es unter Ziff. 4 („Laufzeiten und Erlöse“), die Höhe des Erlöses und die Rendite seien „abhängig vom zum Laufzeitende (…) gegebenen Edelholz-Markt-Preis“. Ferner wurde auch hier wegen der Höhe des prognostizierten Erlöses auf eine näher dargestellte Bandbreite verwiesen.
Die Käufer sollten nach dem Prospekt eine dingliche Sicherheit in Form eines erstrangigen besonderen Pfandrechts an dem zukünftig planmäßig geernteten Edelholz-Rundholz erhalten, dessen Bestand die bulgarische Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD als Bevollmächtigte der Käufer gewährleisten sollte. Der Prospekt nahm insoweit auf einen in seinem Anhang abgedruckten „Vertrag über die Vertretung von Pfandgläubigern (Vertretungsvertrag)“ zwischen der in den Verträgen jeweils als „Sicherungsgeber“ bezeichneten LIGNUM Holding AG und der CONSISTO EOOD vom 28. November 2008 Bezug.
In den Prospektfassungen vom 1. November 2012 und 1. November 2013 sind die Risiken der Anlage jeweils auf Seite 9 des Prospekts unter anderem wie folgt dargestellt:
„2. Ihre Risiken
(…)
Nichterfüllung unserer Verpflichtungen
Der „größte anzunehmende Unfall“ für Sie ist, dass wir den Vertrag nicht pflichtgemäß erfüllen, also das vertraglich bestimmte Edelholz nicht liefern und für Sie an einen Abnehmer verkaufen. In einem solchen Falle - denkbar ist dieser insbesondere bei hypothetischer Insolvenz unseres Unternehmens - müssten Sie auf Ihre Sicherheit in Form des Besonderen Pfandrechts zurückgreifen. Vertragsgemäß würde das für Sie Ihr vertraglicher Bevollmächtigter, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD, besorgen, wenn Sie es nicht in eigener Regie tun wollen. Ihre vertraglich gesicherten Rückflüsse entsprechen dem unteren Rand des prognostizierten Edelholz-Preis-Bandes. Es ist prinzipiell nicht auszuschließen, dass auf Grund unvorhergesehener Umstände Ihre Rückflüsse noch niedriger ausfallen. Dass aber Ihr Gesamt-Rückfluss aus der Verwertung Ihres Pfandes nicht einmal Ihren Anlage-Betrag erreicht, Sie also einen Vermögensverlust erleiden, kann man weitestgehend ausschließen. Näheres zum vorstehenden Risiko finden Sie in Punkt 6.3, Seite 16.“
Unter Ziff. 6.3 enthielten die Prospektfassungen vom 1. November 2012 und 1. November 2013 jeweils Ausführungen zur Ermittlung des Edelholz-Preises.
In der Prospektfassung vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 lautet die entsprechende, jeweils auf Seite 7 des Prospekts abgedruckte Passage wie folgt:
„2. Ihre Risiken
(…)
Nichterfüllung unserer Verpflichtungen
Der „größte denkbare Unfall“ für Sie ist, dass wir den Vertrag nicht pflichtgemäß erfüllen wegen Insolvenz. Dabei geht es um die Insolvenz unserer gesamten Unternehmensgruppe, denn unsere Konzern-Dachgesellschaft, die LIGNUM Holding GmbH [bzw. in der Fassung vom 15. Oktober 2015: „Lignum Holding GmbH“], steht Ihnen gegenüber ein (sie unterschreibt den Vertrag mit Ihnen als Sicherungsgeber).
In einem solchen hypothetischen Insolvenzfall würde aber Ihr vertraglicher Bevollmächtigter, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD, für Sie auf Ihre dingliche Sicherheit in Gestalt des Besonderen Pfandrechts zurückgreifen, um Sie schadlos zu halten. Man kann daher weitestgehend ausschließen, dass Sie einen Vermögensverlust erleiden, es sei denn, es gebe extreme makroökonomische Ereignisse.“
In der Prospektfassung vom 1. November 2012 und 1. November 2013, jeweils auf Seite 17 des Prospekts, ist die Sicherheit in Form des besonderen Pfandrechts wie folgt beschrieben:
„7. Ihre Sicherheit
Sie erhalten vertraglich eine dingliche Sicherheit in Form des erstrangigen Besonderen Pfandrechts an dem zukünftig planmäßig geernteten Edelholz-Rundholz von konkret bestimmten Aufforstungs-Parzellen. Analog zu Grundschulden/Hypotheken wird das Besondere Pfandrecht in ein öffentliches Register eingetragen, womit das Pfandrecht seine rechtlich vorrangige Stellung erhält. Es sichert Ihnen als erstem (und einzigem) eingetragenen Pfandgläubiger einen vorrangigen Anspruch auf das verpfändete Edelholz, falls wir unsere vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen. (…) Gesetzliche Grundlage bildet das Gesetz der Republik Bulgarien über die Besonderen Pfandrechte vom 22.11.1996.
Damit Sie sich nicht mit ihrem Pfandrecht befassen müssen, besorgt das als Ihr Bevollmächtigter die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD (Varna, Bulgarien). Sie gewährleistet den vertragsgerechten Bestand des Pfandrechts und erledigt für Sie die Verwertung Ihres Pfandes im hypothetischen Fall, dass wir unsere vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen (siehe Punkt 2, Seite 9).
Der Vertrag mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD ist im Anhang zu diesem Verkaufsprospekt wiedergegeben.“
In der Prospektfassung vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 heißt es in der entsprechenden, jeweils auf Seite 14 des Prospekts abgedruckten Passage:
„6. Ihre Sicherheit
Sie erhalten vertraglich eine erstrangige insolvenzfeste dingliche Sicherheit in Form eines Besonderen Pfandrechts an dem zukünftig planmäßig geernteten Edelholz-Rundholz von einer konkret bestimmten Aufforstungs-Parzelle. Gesetzliche Grundlage bildet das Gesetz der Republik Bulgarien über die Besonderen Pfandrechte vom 22.11.1996.
Analog zu Grundschulden/Hypotheken wird das Besondere Pfandrecht in ein öffentliches Register eingetragen, womit das Pfandrecht seine rechtlich vorrangige Stellung erhält. Es sichert Ihnen als erstem (und einzigem) eingetragenen Pfandgläubiger einen vorrangigen Anspruch auf das verpfändete Edelholz, falls wir unsere vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen. (…)
Damit Sie sich nicht mit Ihrem Pfandrecht befassen müssen, besorgt das als Ihr vertraglicher Bevollmächtigter die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD (Varna, Bulgarien). Sie gewährleistet den vertragsgerechten Bestand des Pfandrechts und erledigt für Sie die Verwertung Ihres Pfandes im hypothetischen Fall, dass wir unsere vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen (siehe Punkt 2, Seite 7).
Der betreffende Vertretungsvertrag mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD ist im Anhang zu diesem Verkaufsprospekt wiedergegeben.“
In Ziff. 3.1. der Musterverträge wird jeweils darauf hingewiesen, dass der Schaden des Käufers/Erwerbers aus der Nichterfüllung des Vertrags mit dem „erstrangigen Besonderen Pfandrecht an dem zukünftig von (…) Aufforstungs-Parzelle(n) (…) planmäßig geernteten Edelholz-Rundholz“ gesichert wird und dieses Pfandrecht so lange bestehen soll, wie in den Verträgen jeweils näher bezeichnet (jeweils bis zum Jahr nach dem vereinbarten Lieferjahr), und dass es hierzu mehrfach „neu einzuschreiben ist (siehe Punkt 3.5.) (…)“.
Nach Ziff. 3.3. der Verträge „bevollmächtigt und verpflichtet“ der Käufer/Erwerber die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD, ihn als sein „Bevollmächtigter“ zu vertreten gemäß dem im Prospekt abgedruckten Vertretungsvertrag.
Die Sicherungsgeberin LIGNUM Holding AG bzw. LIGNUM Holding GmbH verpflichtete sich jeweils in Ziff. 3.5., „unverzüglich nach Wirksamwerden dieses Vertrags“ der CONSISTO EOOD „unwiderrufliche Vollmacht zu erteilen, namens des Sicherungsgebers beliebig oft Neueinschreibungen des eingeräumten Besonderen Pfandrechts zu beantragen und einem Rechtsanwalt Untervollmacht zu erteilen“.
Die Sicherungsgeberin war jeweils nach Ziff. 3.6. verpflichtet, alle Kosten im Zusammenhang mit der „Bestellung und Neueinschreibung des Besonderen Pfandrechts“ sowie für die Leistungen des Bevollmächtigten zu tragen, mit Ausnahme der Kosten für die Verwertung des Pfandgegenstands (Ziff. 3.7.), die vom Käufer/Erwerber zu tragen waren.
Hinsichtlich der Vertragspflichten des Anbieters wurde in Ziff. 5 ergänzend auf die jeweiligen Prospekte hingewiesen.
Nach dem im Anhang abgedruckten „Vertrag über die Vertretung von Pfandgläubigern (Vertretungsvertrag)“ vom 28. November 2008 zwischen der LIGNUM Holding AG und der CONSISTO EOOD („Bevollmächtigter") verpflichtete sich die Letztere gegenüber den jeweiligen berechtigten Pfandgläubigern, „jeweils rechtzeitig die Registeranträge zur Verlängerung des Pfandrechts zu stellen“, solange der Sicherungsvertrag zwischen der LIGNUM Holding AG und dem berechtigten Pfandgläubiger die Aufrechterhaltung des „Besonderen Pfandes“ verlangt (Ziff. 2. Abs. 1 b des Vertretungsvertrags vom 28. November 2008). Ferner verpflichtete sich die CONSISTO EOOD, auf Verlangen des berechtigten Pfandgläubigers, den Pfandgegenstand in Gewahrsam zu nehmen und auf Rechnung des berechtigten Pfandgläubigers zu verwerten (Ziff. 2. Abs. 1 d). Zum Ablauf der Verwertung enthielt der Vertretungsvertrag nähere Einzelheiten (u. a. Schriftform für das Verwertungsverlangen des berechtigten Pfandgläubigers, Anhörung der LIGNUM Holding AG, siehe im Einzelnen Ziff. 5 des Vertretungsvertrags vom 28. November 2008).
Für den Vertretungsvertrag war die Geltung bulgarischen Rechts vereinbart (Ziff. 9).
Wegen der weiteren Einzelheiten der jeweiligen Vertragstexte (Verträge über die Anlage in europäisches Edelholz, Vertretungsvertrag vom 28. November 2008) wird auf die von den Musterklägern eingereichten Verkaufsprospekte „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 Bezug genommen.
Die Musterkläger und Beigeladenen schlossen mit der Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG bzw. der LIGNUM Sachwert Edelholz AG sowie der LIGNUM Holding AG bzw. LIGNUM Holding GmbH jeweils Verträge über die Anlage in europäisches Edelholz.
Über das Vermögen der LIGNUM Holding GmbH ist durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 5. Oktober 2016, Az. 36l IN 1849/16, und über das Vermögen der LIGNUM Sachwert Edelholz AG durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 10. Januar 2017, Az. 36l IN 1853/16, das Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Musterkläger und Beigeladenen nehmen jeweils die Musterbeklagten zu 1 bis 3 vor dem Landgericht Berlin auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht Berlin hat zehn Musterverfahrensanträge im Klageregister veröffentlicht, die sich auf die Verkaufsprospekte „NobilisPriva“ beziehen.
Gemäß dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 25. März 2019,
11 OH 7/17 KapMuG, beruhte der Abschluss der Kaufverträge der jeweiligen Kläger auf den Verkaufsprospekten zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 bzw. 15. Oktober 2015.
Mit dem vorbezeichneten Vorlagebeschluss hat das Landgericht Berlin dem Kammergericht gemäß §
6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele zur Entscheidung vorgelegt:
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er - jeweils und/oder -
a) auf ein bestehendes Totalverlustrisiko nicht hinweist,
b) die Werthaltigkeit der dinglichen Sicherheit fehlerhaft darstellt, indem der Prospekt nicht darauf hinweist, dass das bulgarische Pfandrecht nach Art. 30 Abs. 2 Gesetz über das besondere Pfandrecht vom 8. November 1996 alle fünf Jahre im Register erneuert werden muss und es andernfalls hinfällig wird,
c) keine Ausführungen zum Schlüsselpersonenrisiko enthält,
d) keine Ausführungen zur Tätigkeit des Musterbeklagten zu 1 als Geschäftsführer der insolventen Torc-Bau GmbH enthält,
e) keinen Hinweis auf die nicht vorhandene KWG-Genehmigung nach §
32 KWG enthält.
2. Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 wegen ihrer Funktion als Organ der Vertragsgesellschaften der Rundholzkäufer der Lignum-Gruppe für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich sind.
3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1 aufgeführten Prospektmängel für die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 erkennbar waren.
Mit Beschluss vom 15. November 2019 hat der Senat die Musterkläger bestimmt.
Diese machen Prospektfehler geltend. Nach der Behauptung der Musterkläger ist das besondere Pfandrecht wertlos. Zudem lägen Anhaltspunkte dafür, dass eine Verlängerung nach fünf Jahren beantragt worden sei, nicht vor. Sie sind der Ansicht, die Musterbeklagten hafteten aus Prospekthaftung im engeren und weiteren Sinne sowie auf deliktischer Grundlage.
Die Musterkläger beantragen,
die in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 25. März 2019,
11 OH 7/17 KapMuG, aufgeführten Feststellungsziele festzustellen.
Die Musterbeklagten beantragen,
die Feststellungsanträge zurückzuweisen.
Der Musterbeklagte zu 1 rügt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.
Sämtliche Musterbeklagten erheben die Einrede der Verjährung.
Den Antrag der Musterkläger vom 2. November 2020, das Musterverfahren auf die Feststellungsziele aus einem weiteren Vorlagebeschluss des Landgerichts Berlin vom 14. August 2020, 2 O 25/20, zu erweitern, hat der Senat mit Beschluss vom 18. Juni 2021 zurückgewiesen.
II.
A. Die Anträge zu den Feststellungszielen sind zulässig.
1. Der Vorlagebeschluss ist für das Kammergericht gemäß §
6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG bindend.
Der Anwendungsbereich des KapMuG ist eröffnet, weil das Verfahren Ansprüche nach §
1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KapMuG auf Schadensersatz wegen einer Fehlerhaftigkeit des im Vorlagebeschluss genannten Verkaufsprospekts als einer öffentlichen Kapitalmarktinformation im Sinne von §
1 Abs. 2 KapMuG betrifft und sich die Feststellungsziele auf diese Kapitalmarktinformation beziehen.
Im Übrigen sind die Vorlagevoraussetzungen durch das mit einem Kapitalanleger-Musterverfahren befasste Oberlandesgericht grundsätzlich nicht zu überprüfen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2017 -
III ZB 135/15, juris Rn. 8). Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die in den ausgesetzten Klageverfahren geltend gemachten Ansprüche verjährt sind. Für ein Musterverfahren ist das Rechtsschutzbedürfnis nicht schon dann zu verneinen, wenn das Oberlandesgericht die im Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche des Antragstellers für verjährt hält (vgl. BGH a.a.O. juris Rn. 14). Die von den Musterbeklagten erhobene Einrede der Verjährung geht daher ins Leere. Entsprechendes gilt für die Angriffe der Musterbeklagten auf die Voraussetzungen einer Haftung sowie für das Bestreiten eines auf etwaigen Prospektfehlern beruhenden Schadens.
2. Das Kammergericht ist für das Kapitalanleger-Musterverfahren auch in Bezug auf den in Bulgarien wohnhaften Musterbeklagten zu 1 international und örtlich zuständig.
a) Die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich im Hinblick auf die von den Musterklägern und Beigeladenen in den ausgesetzten Verfahren geltend gemachten Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne und Delikt aus Art.
7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.
Art.
7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 gilt auch für Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes wie Musterverfahren (vgl. Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Auflage 2020, Art.
7 EuGVVO Rn. 233, 98).
Der verordnungsautonom auszulegende Begriff der unerlaubten Handlung umfasst alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art.
7 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 -
XI ZR 28/09, juris Rn. 23, zu Art.
5 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen). Dies umfasst auch außervertragliche Ansprüche aus Prospekthaftung und wegen Verletzung sonstiger Informationspflichten im Zusammenhang mit Kapitalanlagen (vgl. EuGH, Urteil vom 28. Januar 2015 -
C-375/13, juris Rn. 57; Paulus, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Werkstand: 61. EL Januar 2021, Art. 7 VO (EG) 1215/2012 Rn. 171; Geimer, in: Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Auflage 2020, Art.
7 EuGVVO Rn. 211).
Der Handlungsort im Sinne des Art.
7 Nr. 2 EuGVVO liegt hier im Inland, weil die Verbreitung der Prospekte als Kapitalmarktinformation und damit die schädigende Handlung im Inland erfolgt ist (vgl. hierzu Parigger, in: Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Auflage 2020, §
32b ZPO Rn. 13).
b) Die örtliche Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts ergibt sich aus §
6 Abs. 1 KapMuG, wonach eine Entscheidung des dem Prozessgericht im Rechtszug übergeordneten Oberlandesgerichts - hier des Kammergerichts - einzuholen ist.
B. Die Anträge zu den Feststellungszielen sind zum Teil begründet.
1. Feststellungsziele gemäß Ziff. 1 des Vorlagebeschlusses
a) Der Verkaufsprospekt „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 bzw. 15. Oktober 2015 betrifft öffentlich angebotene Vermögensanlagen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG, für die erst nach Inkrafttreten des durch das Kleinanlegerschutzgesetz neu eingeführten § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG am 1. Januar 2016 - und damit nach Herausgabe der genannten Prospektfassungen - die in § 6 VermAnlG normierte Prospektpflicht galt (VG Frankfurt, Beschluss vom 13. Juni 2016 -
7 L 1268/16.F, juris Rn. 6 ff.; vgl. ferner Maas in: Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz/Vermögensanlagengesetz, 3. Aufl. 2017, § 1 VermAnlG Rn. 83; Begr. RegE Kleinanlegerschutzgesetz,
BT-Drucks. 18/3994, S. 39).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne muss einem Anleger durch einen Verkaufsprospekt jedoch auch außerhalb des Anwendungsbereichs der gesetzlich geregelten Prospekthaftung ein zutreffendes Bild über die Anlage vermittelt werden. Der Prospekt muss über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichten (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 -
II ZB 6/09, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 18. September 2012 -
XI ZR 344/11, juris Rn. 23); insoweit gelten dieselben Maßstäbe wie für die spezialgesetzlich geregelte Prospekthaftung (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2012 -
XI ZR 344/11, juris Rn. 24; Assmann/Kumpan Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Auflage 2020 Rn. 45; Grunewald, in: Münchener Kommentar zum HGB, 4. Auflage 2019, § 161 Rn. 208 f.). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, und über solche Umstände, von denen zwar noch nicht feststeht, die es aber wahrscheinlich machen, dass sie den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden. Für die Frage, ob ein Prospekt nach diesen Grundsätzen unrichtig oder unvollständig ist, kommt es nicht allein auf die darin wiedergegebenen Einzeltatsachen an, sondern wesentlich auch darauf, welches Gesamtbild der Prospekt dem Anleger von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Hierbei sind solche Angaben wesentlich, die ein Anleger „eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde. Abzustellen ist auf die Kenntnisse und Erfahrungen eines durchschnittlichen Anlegers, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest (zum Ganzen BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 -
XI ZB 18/17, juris Rn. 43).
Bei der in den Prospekten beschriebenen Direktanlage in europäisches Edelholz handelt es sich um eine tatbestandlich von der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne umfasste Kapitalanlage. Die von der Rechtsprechung ursprünglich für die Beteiligung an Publikumsgesellschaften entwickelten Prospekthaftungsgrundsätze, die an ein typisiertes Vertrauen des Anlegers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von den Prospekthaftungsverantwortlichen gemachten Angaben anknüpfen, wurden aufgrund der (früher) bestehenden Schutzlücken und der Wertungsidentität hinsichtlich des zugrunde liegenden Interessenkonflikts ausgedehnt, unter anderem auch auf Anlageformen wie Bauträger- und Erwerbermodelle sowie auf den Erwerb von Aktien außerhalb der geregelten Aktienmärkte (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 -
III ZR 93/93, juris Rn. 5 m.w.N.). Maßgeblich für die Anwendbarkeit der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne ist, ob bei dem in den Blick genommenen Anlagemodell der Prospekt die einzige, jedenfalls die wichtigste Informationsquelle ist, die den Anleger in die Lage versetzt, die Anlage objektiv zu beurteilen und sein Risiko richtig einzuschätzen. Die hervorragende Bedeutung des Prospekts für die Informationsvermittlung und die damit verbundene Beeinflussung des Anlageentschlusses rechtfertigen die zivilrechtliche Verantwortlichkeit derjenigen, die durch den Prospekt auf den Entschluss eines Kapitalanlegers Einfluss genommen haben (BGH, Urteil vom 26. September 1991 -
VII ZR 376/89, juris Rn. 23; Herresthal, in: BeckOGK, 1.1.2021, BGB §
311 Rn. 582). Eine solche Bedeutung als wichtigste Informationsquelle für die Anleger kam dem Prospekt „NobilisPriva“ beim Vertrieb des darin dargestellten Modells eines Erwerbs europäischen Edelholzes zum Zwecke der Kapitalanlage zu.
b) Hinsichtlich der auf das Vorliegen von Prospektfehlern bezogenen einzelnen Feststellungsziele gemäß Ziff. 1. des Vorlagebeschlusses gilt bei Anwendung der unter B. 1. a) dargestellten Grundsätze zum Umfang der Aufklärungspflichten Folgendes:
aa)
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
a) auf ein bestehendes Totalverlustrisiko nicht hinweist (…)
Die beantragte Feststellung ist zu treffen.
(1) Ein bestehendes Totalverlustrisiko, also ein Risiko, mit der Anlage einen vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals zu erleiden, ist ein Umstand, über den sachlich richtig und vollständig zu unterrichten ist, weil er für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung ist und den Vertragszweck vereiteln kann. Der Prospekt muss die Risiken der Anlage und vor allem die Hinweise auf ein mögliches Totalverlustrisiko dem Anleger hinreichend deutlich vor Augen halten (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2014 -
III ZR 389/12, juris Rn. 29; BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 -
II ZR 344/15, juris Rn. 30). Der Umfang der Aufklärungspflicht hängt hierbei unter anderem davon ab, wie groß das Risiko eines vollständigen Kapitalverlusts bei der jeweiligen Anlage ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. September 2014 -
II ZR 317/13, juris Rn. 18). Es muss nur über solche Risiken aufgeklärt werden, mit deren Verwirklichung ernsthaft zu rechnen ist oder die jedenfalls nicht nur ganz entfernt liegen (BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 -
II ZB 30/12, juris Rn. 64).
(2) Nach diesen Grundsätzen enthielt der Verkaufsprospekt „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 nicht die gebotene Aufklärung über das mit der dort dargestellten Anlage in europäisches Edelholz verbundene Totalverlustrisiko. Einem durchschnittlichen Anleger, der den Prospekt eingehend und sorgfältig gelesen hat, wurde dieses nicht nur ganz entfernt liegende Risiko nicht hinreichend deutlich vor Augen gehalten.
(a) Eine Aufklärung über das mit der im Prospekt dargestellten Anlage in europäisches Edelholz verbundene Totalverlustrisiko war erforderlich.
Eine solche Aufklärung war nicht deshalb entbehrlich, weil das Risiko eines vollständigen Kapitalverlusts gering war.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können bei der Beteiligung an einem Immobilienfonds geringere Anforderungen an die Aufklärung über das Totalverlustrisiko zu stellen sein als bei der Beteiligung an Fonds mit anderen Unternehmensgegenständen, weil mit dem Immobilienvermögen der Investition ein Sachwert gegenübersteht, der in aller Regel erhalten bleibt, so dass das Risiko eines vollständigen Kapitalverlusts gering ist (BGH, Beschluss vom 23. September 2014 -
II ZR 317/13, juris Rn. 18). Ein gesonderter Hinweis auf dieses Risiko kann daher entbehrlich sein (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 -
XI ZR 337/08, juris Rn. 24; BGH, Urteil vom 11. September 2012 -
XI ZR 363/10, juris Rn.13).
Diese Grundsätze sind auf die in dem hier zu beurteilenden Prospekt beschriebene Anlage in europäisches Edelholz nicht übertragbar, auch wenn bei dieser Anlageform der Investition vertragsgemäß ein Sachwert gegenübersteht. Denn die vertraglichen Ansprüche der Anleger, insbesondere der Anspruch auf Lieferung des gekauften Holzes, sollten für den Fall, dass ihre Vertragspartner den Vertrag nicht pflichtgemäß erfüllen bzw. in Insolvenz geraten, durch ein erstrangiges besonderes Pfandrecht an dem zukünftig planmäßig geernteten Edelholz-Rundholz gesichert werden. Die Aufforstungen und die künftigen planmäßigen Rundholzernten, die den Gegenstand des Pfandrechts bilden sollten, sind in ihrer Wertbeständigkeit nicht mit Immobilien vergleichbar. Zum einen müssen die Aufforstungsflächen während der langjährigen Wachstumsphase unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel bewirtschaftet, gepflegt und bewacht werden, bis der Baumbestand schließlich nach vielen Jahren voll erntefähig ist (siehe hierzu die von den Musterklägern vorgelegten Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Prof. Rattunde in dem Insolvenzeröffnungsverfahren LIGNUM Sachwert Edelholz AG vom 10. Januar 2017, Anlage K 4, S. 28, C. IX. b) und 3., und in dem Insolvenzeröffnungsverfahren LIGNUM Holding AG vom 5. Oktober 2016, Anlage K 16, S. 52, E. II., ferner das Schreiben des Insolvenzverwalters über das Vermögen der LIGNUM Sachwert Edelholz AG Prof. Rattunde vom 22. Februar 2018, Anlage K 54). Zum anderen bestehen während dieser Zeit forstwirtschaftliche und sonstige Risiken für den Baumbestand wie etwa mangelnde Eignung der Flächen, Unwetter, Wildverbiss, Schädlingsbefall, Vandalismus (siehe hierzu die Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Prof. Rattunde in dem Insolvenzeröffnungsverfahren LIGNUM Sachwert Edelholz AG vom 10. Januar 2017, Anlage K 4, S. 21, C. IV 2., und in dem Insolvenzeröffnungsverfahren LIGNUM Holding AG vom 5. Oktober 2016, Anlage K 16, S. 14 f., C. III. 2.) oder auch Brandgefahren. Das besondere Pfandrecht sollte zudem gemäß Ziff. 3.3. des Prospekts im öffentlichen Pfandregister erst bis zu sechs Monate nach Zahlung des Kaufpreises eingetragen werden, ohne dass während dieser Zeit eine entsprechende Sicherung der Anleger ersichtlich wäre. Schließlich ist die Verwertung des Pfandes mit möglichen praktischen Risiken und Erschwernissen einer Rechtsdurchsetzung in Bulgarien verbunden, die zu seiner Wertlosigkeit führen können.
Das aus den vorgenannten Gründen bestehende ernsthafte und nicht nur ganz entfernt liegende Totalverlustrisiko, das auch durch die Möglichkeit einer Veräußerung des Vertrags an Dritte nicht aufgehoben wird, war für die Anleger auch nicht ohne Weiteres ersichtlich. Der Prospekt vermittelte einem durchschnittlichen Anleger vielmehr den Eindruck, bei der beschriebenen Investition in europäisches Edelholz handele sich um eine besonders sichere Anlage. So wird die Anlage „NobilisPriva“ auf dem Titelblatt des Prospekts in der Fassung vom 1. November 2012 und 1. November 2013 als „Die sichere Sachwertanlage in europäisches Edelholz“ präsentiert und auf dem Titelblatt in der Fassung vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 mit dem ebenfalls auf eine hohe Sicherheit hindeutenden Slogan „VERMÖGEN BEWAHREN & MEHREN mit Europäischem Edelholz“.
(b) Die Prospekte enthalten keine hinreichende Aufklärung über das mit der Anlage verbundene Totalverlustrisiko.
Ein ausdrücklicher Hinweis auf dieses Risiko ist in den Prospektfassungen, die Gegenstand dieses Kapitalanleger-Musterverfahrens sind, jeweils nicht enthalten.
Auch durch die jeweils unter Ziffer 2. des Prospekts („Ihre Risiken“) gemachten Ausführungen zum „größte(n) anzunehmende(n) Unfall“ bzw. „größte(n) denkbare(n) Unfall“ wird den Anlegern das Risiko eines vollständigen Totalverlusts nicht hinreichend verdeutlicht. Der Hinweis, dass die Anleger im Falle einer Insolvenz der Vertragspartner bzw. der gesamten Unternehmensgruppe auf die Sicherheit in Form des besonderen Pfandrechts zurückgreifen müssen bzw. dies die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft CONSISTO EOOD für sie tun werde, und dass wegen der Möglichkeit der Verwertung des Pfandes ein Vermögensverlust „weitestgehend“ auszuschließen sei, genügt hierfür nicht. Aus diesem Hinweis lässt sich auch im Wege des Umkehrschlusses nicht mit der gebotenen Deutlichkeit ableiten, dass es zu einem vollständigen Verlust des eingesetzten Kapitals kommen kann.
Die in den Prospektfassungen vom 1. November 2012 und 1. November 2013 verwendete Formulierung „Dass aber Ihr Gesamt-Rückfluss aus der Verwertung Ihres Pfandes nicht einmal Ihren Anlage-Betrag erreicht, Sie also einen Vermögensverlust erleiden, kann man weitestgehend ausschließen.“ erweckt eher die Vorstellung, dass allenfalls das Risiko eines Teilverlusts ernsthaft in Betracht kommt.
Auch die Formulierung in den Prospektfassungen vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015, im Insolvenzfall würde die CONSISTO EOOD auf die dingliche Sicherheit in Gestalt des besonderen Pfandrechts zurückgreifen, um die Anleger „schadlos zu halten“ und man könne „daher weitestgehend ausschließen, dass“ sie „einen Vermögensverlust erleiden, es sei denn, es gebe extreme makroökonomische Ereignisse“, legt nahe, dass die Anleger in Höhe des für den vorab zu zahlenden Kaufpreis eingesetzten Kapitals beim Ausbleiben solcher Ereignisse gerade keinen vollständigen Ausfall erleiden können. Für dieses Verständnis spricht unter anderem die Verwendung des Begriffs „schadlos“, mit dem bei den Anlegern der Eindruck hervorgerufen wird, ein vollständiger Schadensausgleich sei sichergestellt.
Weitergehende Hinweise auf das bestehende Totalverlustrisiko finden sich auch an anderen Stellen der verfahrensgegenständlichen Prospektfassungen nicht.
Mit den genannten Hinweisen wird das tatsächlich bestehende Totalverlustrisiko der Anlage in den jeweiligen Prospektfassungen in unzulässiger Weise verharmlost und beschönigt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 23. September 2014 -
II ZR 317/13, juris Rn. 18).
Hierin unterscheidet sich der Prospekt von demjenigen, über den das Landgericht Hannover in seinem Urteil vom 2. Juni 2021,
11 O 3/20, zu entscheiden hatte. Soweit dieses eine Täuschung bzw. unzureichende Aufklärung der dortigen Anleger über die Sicherheit der Anlage mit der Begründung verneint hat, ihnen hätten sich die Risiken des dort im Prospekt beschriebenen Direktinvestments in Teak- und Balsabäume in Brasilien beim Kauf aufdrängen müssen (LG Hannover, Urteil vom 2. Juni 2021 -
11 O 3/20, juris Rn. 102, 116), gilt dies nicht für die hier zu beurteilenden Fassungen des Prospekts „NobilisPriva“, in denen die hohe Sicherheit der Anlage besonders hervorgehoben wird.
Die Annahme einer unzureichenden Aufklärung der Anleger über das Totalverlustrisiko steht nicht im Widerspruch zur Auffassung des 4. Zivilsenats des Kammergerichts, im Prospekt für die Anlage „Lignum Nobilis“ werde das Totalverlustrisiko nicht vorsätzlich und in sittenwidriger Weise unzutreffend dargestellt (KG, Hinweisbeschluss nach §
522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vom 11. März 2020 - 4 U 175/19, S. 19). Unabhängig davon, dass es um unterschiedliche Prospekte geht, ist für die hier aufgrund des Vorlagebeschlusses zu treffende Feststellung ein vorsätzliches oder sittenwidriges Handeln nicht erforderlich.
bb)
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
b) die Werthaltigkeit der dinglichen Sicherheit fehlerhaft darstellt, indem der Prospekt nicht darauf hinweist, dass das bulgarische Pfandrecht nach Art. 30 Abs. 2 Gesetz über das besondere Pfandrecht vom 8. November 1996 alle fünf Jahre im Register erneuert werden muss und es andernfalls hinfällig wird (…)
Die beantragte Feststellung ist nicht zu treffen.
(1) Eine Aufklärung über die wesentlichen Eigenschaften des zur Absicherung der Anlage dienenden besonderen Pfandrechts war erforderlich, weil es insoweit um Umstände geht, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können.
(2) Die im Prospekt enthaltenen Angaben genügen zur Erfüllung dieser Aufklärungspflicht. Der im Feststellungsziel genannten konkreten Angabe, dass das bulgarische Pfandrecht nach Art. 30 Abs. 2 Gesetz über das besondere Pfandrecht vom 8. November 1996 alle fünf Jahre im Register erneuert werden muss und es andernfalls hinfällig wird, bedurfte es im Hinblick auf das Aufklärungsbedürfnis der Anleger nicht.
Der Prospekt in den verfahrensgegenständlichen Fassungen weist unter Ziff. 7 bzw. Ziff. 6 („Ihre Sicherheit“) darauf hin, dass die CONSISTO EOOD als Bevollmächtigte der Anleger „den vertragsgerechten Bestand des Pfandrechts“ gewährleiste. Dies knüpft bereits erkennbar daran an, dass der vertraglich zugesagte Bestand des Pfandrechts vom Zutun dieser Gesellschaft abhängt.
In den im Anhang des Prospekts abgedruckten Musterverträgen über die Anlage in europäisches Edelholz, auf die im Hauptteil des Prospekts unter Ziff. 3. („Vertrag“) Bezug genommen wird, wird an mehreren Stellen darauf hingewiesen bzw. darauf Bezug genommen, dass das Pfandrecht bis zum Ende der vertraglich vorgesehenen Laufzeit mehrfach neu einzuschreiben ist (Ziff. 3.1.: „Das Besondere Pfandrecht soll jedenfalls so lange bestehen, wozu es mehrfach neu einzuschreiben ist.“; Ziff. 3.5.: Vollmachtserteilung für Antrag auf „Neueinschreibung“ des Pfandrechts; Ziff. 3.6.: „Kosten im Zusammenhang mit der (…) Neueinschreibung des Besonderen Pfandrechts“).
Aus dem ebenfalls jeweils im Anhang des Prospekts abgedruckten „Vertrag über die Vertretung von Pfandgläubigern (Vertretungsvertrag)“ vom 28. November 2008 zwischen der LIGNUM Holding AG und der CONSISTO EOOD, auf den im Hauptteil des Prospekts unter Ziff. 7 bzw. Ziff. 6 („Ihre Sicherheit“) ausdrücklich verwiesen wird, geht hervor, dass die CONSISTO EOOD als Bevollmächtigte die Verpflichtung übernommen hat, jeweils rechtzeitig die Registeranträge zur Verlängerung des Pfandrechts zu stellen (Ziff. 2. Abs. 1 b des Vertretungsvertrags).
Einem durchschnittlichen Anleger, der als Adressat des Prospekts in Betracht kommt und der den Prospekt sorgfältig und eingehend liest, wird durch diese Hinweise und Regelungen hinreichend deutlich gemacht, dass das besondere Pfandrecht während der vertraglich vorgesehenen Laufzeit mehrfach neu eingeschrieben bzw. verlängert werden muss.
Bei der Frage, nach welcher konkreten Zeitspanne jeweils eine Verlängerung des Pfandrechts notwendig wird, handelt es sich nicht um eine für den Anleger als wesentlich anzusehende. In Anbetracht der in den Verträgen vorgesehenen bzw. vorausgesetzten selbstständigen Erledigung der Verlängerungsanträge durch die Gesellschaft CONSISTO EOOD und des in Ziff. 7. bzw. Ziff. 6 des Prospekts („Ihre Sicherheit“) enthaltenen Hinweises darauf, dass sich die Anleger „nicht mit (i)hrem Pfandrecht befassen müssen“, betrifft diese Frage keinen Umstand, den ein Anleger „eher als nicht" bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde.
Der Prospekt nimmt zudem auf die gesetzliche Grundlage des besonderen Pfandrechts, nämlich auf Art. 30 Abs. 2 des Gesetzes über das besondere Pfandrecht vom 8. November 1996, ausdrücklich Bezug.
cc)
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
c) keine Ausführungen zum Schlüsselpersonenrisiko enthält (…)
Die beantragte Feststellung ist nicht zu treffen.
(1) Die Pflicht, den Anlegern für die Anlageentscheidung ein richtiges Bild über das Anlageobjekt zu vermitteln, kann es auch umfassen, diese im Prospekt über frühere Verfehlungen von Personen zu unterrichten, die erheblichen Einfluss auf den Erfolg der Investition haben, oder über andere bedeutsame Umstände, die solche Personen betreffen. So besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Offenbarungspflicht in Bezug auf Vorstrafen einer für die Verwaltung des Anlagevermögens zuständigen Person, wenn die abgeurteilten Straftaten nach Art und Schwere geeignet sind, ein Vertrauen der Anleger in die Zuverlässigkeit der betreffenden Person zu erschüttern (BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 -
II ZR 9/12, juris Rn. 34). Nicht ohne Weiteres ausreichend für die Annahme einer Offenbarungspflicht sind dagegen nur vereinzelt gebliebene Verurteilungen und solche, die nur andere als Vermögensdelikte betreffen (vgl. BGH a.a.O.), sowie einmalige Pflichtverletzungen sonstiger Art (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 -
II ZR 344/15, juris Rn. 23).
(2) Aufklärungspflichtige Umstände in der Person der Musterbeklagten sind nach diesen Grundsätzen nicht ersichtlich.
Insbesondere war der Umstand, dass der Musterbeklagte zu 1 vormals Geschäftsführer der TORC Bau GmbH war und diese im Jahr 1996 ein Gesamtvollstreckungsverfahren durchlaufen hat, nicht aufklärungsbedürftig. Es ist bereits zweifelhaft, ob allein die Tatsache, dass eine für den Erfolg der Anlage maßgebliche Person in der Vergangenheit verantwortliches Organ einer Gesellschaft war, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, eine entsprechende Offenbarungspflicht begründen kann. Denn aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens kann nicht ohne Weiteres auf ein schuldhaftes Fehlverhalten oder die mangelnde Eignung oder Qualifikation der organschaftlichen Vertreter des von der Insolvenz betroffenen Unternehmens geschlossen werden. Bei Veröffentlichung der verfahrensgegenständlichen Prospektfassungen mehr als fünfzehn Jahre nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der TORC Bau GmbH bestand eine solche Offenbarungspflicht jedenfalls nicht mehr, zumal Straftaten des Musterbeklagten zu 1 oder sonstige schwere persönliche Verfehlungen im Zusammenhang mit der Insolvenz der TORC Bau GmbH nicht in Rede stehen (so auch KG, Beschluss vom 11. März 2020 - 4 U 175/19, S. 20 f.).
Hinsichtlich der Musterbeklagten zu 2 und 3 fehlt es an einer Darlegung persönlicher Umstände, die eine Aufklärungspflicht begründen könnten.
Das allgemeine (abstrakte) Risiko, dass die Verwirklichung des Anlagekonzepts bei Pflichtwidrigkeiten der Personen, in deren Händen die Geschicke der Anlagegesellschaft liegen, gefährdet ist, kann als dem Anleger bekannt vorausgesetzt werden und bedarf grundsätzlich keiner besonderen Aufklärung. Pflichtverletzungen sind regelmäßig kein spezifisches Risiko der Kapitalanlage. Anders kann es liegen, wenn bestimmte Pflichtverletzungen aus strukturellen Gründen sehr naheliegend sind (BGH, Urteil vom 9. Mai 2017 -
II ZR 344/15, juris Rn. 21), was im Hinblick auf die Musterbeklagten nicht zu erkennen ist.
(3) Soweit mit dem Begriff des „Schlüsselpersonenrisikos“ auch die Frage angesprochen sein kann, dass mit einem etwaigen Ausfall wesentlicher Einflusspersonen Risiken für den Unternehmenserfolg verbunden sein könnten, fehlt hierzu erheblicher Vortrag der Musterkläger.
dd)
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
d) keine Ausführungen zur Tätigkeit des Musterbeklagten zu 1 als Geschäftsführer der insolventen Torc-Bau GmbH enthält (…)
Die beantragte Feststellung ist nicht zu treffen.
Einer Aufklärung über diese Tätigkeit bedurfte es nicht. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter B. 1. b) cc) verwiesen.
ee)
1. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt der Lignum-Gruppe zu Rundholzkaufverträgen „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012, 1. November 2013, 20. Januar 2015 und/oder 15. Oktober 2015 in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und/oder unvollständig ist, da er
e) keinen Hinweis auf die nicht vorhandene KWG-Genehmigung nach §
32 KWG enthält.
Die beantragte Feststellung ist nicht zu treffen.
(1) Eine Aufklärungspflicht über eine nicht vorhandene Erlaubnis nach §
32 Abs. 1 Satz 1 KWG als für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstand kann bestehen, wenn das mit der angebotenen Anlage betriebene Geschäftsmodell erlaubnisbedürftig ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. August 2020 -
II ZR 174/19, juris Rn. 47).
(2) Ein Prospektfehler scheidet hiernach aus. Die Voraussetzungen für eine Erlaubnisbedürftigkeit nach §
32 Abs. 1 Satz 1 KWG lagen nicht vor, weil das Angebot einer Investition in europäisches Edelholz kein Bankgeschäft im Sinne von §
1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellt.
(a) Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publikums im Sinne des §
1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist gemein, dass der Kapitalgeber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung jederzeit wieder zurückfordern kann (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 -
VI ZR 263/17, juris Rn. 21). Die hier allein in Betracht kommende zweite Alternative der „anderen rückzahlbaren Gelder" setzt voraus, dass nach den Gesamtumständen des Vertrags einschließlich der Werbeaussagen des Unternehmens ein unbedingter Rückzahlungsanspruch unabhängig vom Geschäftserfolg garantiert wird (BGH, Urteil vom 23. März 2010 -
VI ZR 57/09, juris Rn. 17).
(b) Nach der Ausgestaltung des Anlagemodells der Investition in europäisches Edelholz liegen diese Voraussetzungen nicht vor (so auch u.a. KG, Hinweisbeschlüsse nach §
522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vom 7. Februar 2020 -
24 U 7/20, S. 7; und vom 11. März 2020 - 4 U 175/19, S. 12). Insbesondere fehlt es an einem unbedingten Rückzahlungsanspruch unabhängig vom Geschäftserfolg.
In den mit den Anlegern geschlossenen Verträgen über eine Investition in europäisches Edelholz war zwar vorgesehen, dass diese, soweit sie den Verkauf des zu liefernden Edelholzes nicht selbst vornehmen, einen Rückfluss/Erlös aus dem Verkauf des Holzes erhalten sollen. Dessen Höhe stand jedoch nicht fest, sondern hing von der künftigen Entwicklung der Marktbedingungen für das zu liefernde Edelholz und der Qualität des geernteten Holzes ab und damit vom Geschäftserfolg.
2. Feststellungsziel gemäß Ziff. 2 des Vorlagebeschlusses
2. Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 wegen ihrer Funktion als Organ der Vertragsgesellschaften der Rundholzkäufer der Lignum-Gruppe für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich sind.
Die beantragte Feststellung ist zu treffen.
(1) Die Frage der Prospektverantwortlichkeit ist aus den unter B. 1. a) genannten Gründen nach den Maßstäben der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne zu beantworten. Auf die Haftungsregelungen nach dem VermAnlG (§ 20 ff. VermAnlG) kommt es nicht an, weil § 1 Abs. 2 Nr. 7 VermAnlG erst am 1. Januar 2016 in Kraft trat und der Abschluss eines Vertrags über europäisches Edelholz auf der Grundlage des allein verfahrensgegenständlichen Prospekts „NobilisPriva“ an oder nach diesem Tag nicht dargelegt ist. Nach dem VermAnlG gelten allerdings im Hinblick auf die nachfolgend dargestellte Haftung der Geschäftsleitung bzw. der „Leitungsgruppe“ dieselben Grundsätze wie für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne (Assmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Auflage 2020 § 5 Rz. 262, 162 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 -
II ZR 60/80, juris Rn. 18).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haften für fehlerhafte oder unvollständige Prospektangaben neben dem Herausgeber des Prospekts die Gründer, Initiatoren und Gestalter der (Anlage-)Gesellschaft, soweit sie das Management bilden oder beherrschen (zum Ganzen BGH, Urteil vom 17. September 2020 -
III ZR 283/18, juris Rn. 35).
Gründer, Initiator oder Gestalter in diesem Sinne ist jeder, der zum Management der Gesellschaft gehört oder dieses doch beherrscht, mit anderen Worten jeder, der Einfluss und Verantwortung in der Gesellschaft besitzt (Emmerich, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, BGB §
311 Rn. 151). Liegt die Anlage nicht in der Beteiligung an einer Gesellschaft, trifft die Initiatoren und Gestalter des Vorhabens die Haftung nach diesen Grundsätzen. Auch Personen, die das Management der Initiatorengesellschaft bzw. Herausgeberin des Prospekts bilden, sind für dessen Inhalt verantwortlich, so etwa Geschäftsführer oder Gründer bzw. Gesellschafter der Initiatorengesellschaft (BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 -
VII ZR 340/88, juris Rn. 16).
(2) Hiernach gilt für die Prospektverantwortlichkeit der Musterbeklagten Folgendes:
(a) Der Musterbeklagte zu 1 ist für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich, weil er Vorstand der LIGNUM Holding AG und Geschäftsführer der LIGNUM Holding GmbH war und damit zum Management einer der beiden Initiatorengesellschaften gehörte, die den Prospekt herausgegeben haben. Die LIGNUM Holding AG bzw. GmbH war zudem Gesellschafterin der LIGNUM Edelholz Investitionen AG, die als Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG bzw. LIGNUM Sachwert Edelholz AG die weitere Intitiatorin des Vorhabens sowie ebenfalls Prospektherausgeberin war.
Die LIGNUM Holding AG, vertreten durch den Musterbeklagten zu 1 als „Vorstandsvorsitzenden“, trat im Prospekt „NobilisPriva“ in der Fassung vom 1. November 2012 neben der weiteren Initiatorin Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG als Prospekt(mit-)verantwortliche auf; zugleich war sie künftige Vertragspartnerin der Anleger als Sicherungsgeberin.
Im Prospekt in der Fassung vom 1. November 2013, 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 trat die LIGNUM Holding GmbH, jeweils vertreten durch den Musterbeklagten zu 1, neben der Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG bzw. der LIGNUM Sachwert Edelholz AG als Prospekt(mit-)verantwortliche auf; ferner war sie auch hier künftige Vertragspartnerin der Anleger als Sicherungsgeberin.
Als Vorstand bzw. Geschäftsführer hat der Musterbeklagte zu 1 die Geschicke der LIGNUM Holding AG bzw. der LIGNUM Holding GmbH als einer der Initiatorengesellschaften bestimmt und hatte Einfluss auf die Gestaltung des Prospekts, mit dem er auf die Anlageentscheidung einer Vielzahl von Interessenten einwirken wollte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 -
VII ZR 340/88, juris Rn. 17).
Der beherrschende Einfluss des Musterbeklagten zu 1 auf die LIGNUM Holding AG bzw. GmbH wurde durch seine Stellung als Geschäftsführer der LIGNUM Management GmbH, die ab Mitte 2009 Alleingesellschafterin der LIGNUM Holding AG bzw. GmbH war, noch verstärkt.
(b) Der Musterbeklagte zu 2 ist als Vorstand der LIGNUM Holding AG und Geschäftsführer der LIGNUM Holding GmbH ebenfalls für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich, da er zum Kreis des Managements gehörte und er daher Einfluss auf die Geschicke der LIGNUM Holding GmbH sowie auf die Gestaltung des Prospekts hatte. Durch seine Stellung als Geschäftsführer der LIGNUM Management GmbH wurde sein beherrschender Einfluss noch erhöht. Dass er keine eigene Prospekterklärung abgegeben hat, ist ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 -
II ZB 1/12, juris Rn. 73).
(c) Der Musterbeklagte zu 3 war als Vorstand der Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG und LIGNUM Sachwert Edelholz AG für die Richtigkeit und Vollständigkeit der unter Ziffer 1 angeführten Prospekte verantwortlich.
Die Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG trat in den Fassungen des Prospekts „NobilisPriva“ vom 1. November 2012 und 1. November 2013 als Prospektherausgeberin und Verkäuferin („Anbieter“) des Edelholzes auf. In den Fassungen vom 20. Januar 2015 und 15. Oktober 2015 übernahm die Gesellschaft diese Rollen nach Umfirmierung als LIGNUM Edelholz Sachwertanlagen AG.
Als alleiniger Vorstand beherrschte der Musterbeklagte zu 3 das Management und bestimmte er die Geschicke der Nobilis Edelholz Sachwertanlagen AG bzw. LIGNUM Sachwert Edelholz AG, der Initiatorin und Vertragspartnerin der Anleger, entscheidend mit. Aufgrund seiner Stellung hatte er insbesondere auch Einfluss auf das Vorhaben und die Gestaltung des Prospekts.
3. Feststellungsziel gemäß Ziff. 3 des Vorlagebeschlusses
3. Es wird festgestellt, dass die unter Ziffer 1 aufgeführten Prospektmängel für die Musterbeklagten zu 1, zu 2 und zu 3 erkennbar waren.
Die beantragte Feststellung ist zu treffen.
Die Umstände, die für die Anleger das Risiko eines vollständigen Verlusts des eingesetzten Kapitals begründeten, ergaben sich zum einen unmittelbar aus dem Prospekt in den verfahrensgegenständlichen Fassungen. In diesem wurde insbesondere jeweils die Funktionsweise und der Inhalt des besonderen Pfandrechts nach bulgarischem Recht beschrieben. Ferner ging aus ihm hervor, dass dieses Pfandrecht möglicherweise erst bis sechs Monate nach Zahlung des Kaufpreises ins öffentliche Pfandregister eingetragen wird und seine Verwertung gegebenenfalls in Bulgarien durchgesetzt werden müsste. Aufgrund naheliegender allgemeiner Erwägungen war zum anderen für die für das Vorhaben verantwortlichen Musterbeklagten jeweils zu erkennen, dass die planmäßigen künftigen Rundholzernten, die Gegenstand des besonderen Pfandrechts sein sollten, aufgrund der forstwirtschaftlichen und sonstigen Risiken beim Aufwuchs des Baumbestands keine ausreichende Sicherheit vor einem Totalverlust boten und nicht sichergestellt war, dass die Anleger im Falle der Insolvenz der Vertragspartner aus dem Kaufvertrag aus diesem Pfandrecht einen Erlös würden erzielen können.
C. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, §
16 Abs. 2 KapMuG.
Kingreen Vorsitzende Richterin am Kammergericht
Koch Richterin am Landgericht
Dr. Kroymann Richter am Kammergericht
Verkündet am 18.06.2021
Nameentfernt, JBesch als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle