Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
Anzeige:
Diese Entscheidung

01.03.2022

HCI Real Estate Asset Management GmbH: Hinweisbeschluss - Musterantrag dürfte aussichtslos sein

Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen

Geschäftszeichen: 1 Kap 1/17 = 4 O 1585/14 Landgericht Bremen

Hinweisbeschluss

In dem Kapitalanleger-Musterverfahren

persönliche Daten entfernt

Musterkläger,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schirp Schmidt-Morsbach Neusel, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Geschäftszeichen: 00546-14/raaw/raaw

gegen

HCI Real Estate Asset Management GmbH, Herdentorsteinweg 7, 28195 Bremen,

Musterbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Ahlers & Vogel, Contrescarpe 21, 28203 Bremen, Geschäftszeichen: 11929/20

Beteiligte:

Susat GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Domstr. 15, 20095 Hamburg,

Nebenintervenientin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Luther, Rothenbaumchaussee 20, 20148 Hamburg, Geschäftszeichen: KW/JK 15/93757

Beigeladene

19 Beigeladene

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schirp Schmidt-Morsbach Neusel, Leipziger Platz 9, 10117 Berlin, Geschäftszeichen: 00676-14/raaw/racr

hat der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schromek, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Böger und den Richter am Amtsgericht Karla

am 22.02.2022 beschlossen:

I.

Der Senat weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237; Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 19, WM 2021, 2386; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20, juris) keine Erfolgsaussichten für den Musterantrag mehr bestehen dürften.

II.

Es dürften auf der Grundlage der zu Ziff. I zitierten jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Feststellungsziel zu 2. aus dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Bremen vom 26.10.2017 als unbegründet zurückzuweisen und die Feststellungsziele zu 1. und zu 3. für gegenstandslos zu erklären sein.

III.

Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.05.2022 wird verlegt auf Mittwoch, den 18.05.2022, 11 Uhr, Saal 7.

IV.

Den Parteien wird zu den Hinweisen zu Ziff. I. und II. Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 30.03.2022 gegeben.

Gründe

1. Das Feststellungsziel zu Ziff. 2 aus dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Bremen vom 26.10.2017, das auf die Feststellung der Haftung der Musterbeklagten gegenüber den Anlegern der Beteiligungsgesellschaft aus Prospekthaftung im weiteren Sinne gerichtet ist, dürfte als unbegründet zurückzuweisen sein. Eine Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne dürfte auf der Grundlage der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ausgeschlossen sein; dies führt bei einem auf die Feststellung des Bestehens einer Prospekthaftung im weiteren Sinne gerichteten Feststellungsziel eines Musterverfahrens dazu, dass dieses Feststellungsziel als unbegründet zurückzuweisen ist (siehe BGH, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 19, WM 2021, 2386; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20, juris Rn. 15).

a. Die Musterbeklagte dürfte in Bezug auf den Prospekt für die Beteiligungsgesellschaft einer gesetzlichen Prospekthaftung unterfallen sein nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG in der Fassung vom 21.06.2002, die vom 01.07.2002 bis zum 31.10.2007 galt.

aa. Die Beteiligungsgesellschaft in der Form eines geschlossenen Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG war nach § 8f Abs. 1 S. 1 VerkProspG in der Fassung vom 22.06.2005, die vom 01.07.2005 bis zum 17.08.2016 galt, prospektpflichtig. § 8f Abs. 1 S. 1 Var. 3 VerkProspG a.F. begründete eine Prospektpflicht für Anteile an sonstigen geschlossenen Fonds und galt damit auch für Anteile an der vorliegenden Beteiligungsgesellschaft. Damit fand die Regelung des § 13 Abs. 1 VerkProspG in der Fassung vom 16.08.2005 Anwendung, die vom 01.11.2005 bis zum 30.12.2006 galt, und welche wiederum auf die Haftungsregelungen der §§ 44 bis 47 BörsG a.F. verwiesen hat. Es galt damit in Bezug auf die Beteiligungsgesellschaft eine gesetzliche Prospekthaftung der Prospektverantwortlichen (§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsenG a.F.) sowie derjenigen Personen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG a.F.).

bb. Bei der Musterbeklagten dürfte es sich im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG a.F. um eine Person handeln, von der der Erlass des Prospekts ausging.

(a) Zur Anwendung der Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG a.F. hat der Bundesgerichtshof wie folgt ausgeführt (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 24, BGHZ 228, 237): „Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (vgl. Senatsurteil vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, BGHZ 195, 1 Rn. 35 ff.; BGH, Urteile vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 340 ff., vom 22. März 1982 - II ZR 114/81, BGHZ 83, 222, 223 f., vom 5. Juli 1993 - II ZR 194/92, BGHZ 123, 106, 109 f. und vom 2. Juni 2008 - II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 Rn. 12). Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Durch die Regelung soll eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten geschlossen werden; insbesondere sollen auch Konzernmuttergesellschaften in die Haftung einbezogen werden (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 36). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (Senatsurteil vom 18. September 2012, aaO, Rn. 37).“

(b) Nach den vorstehenden Grundsätzen dürfte für die Musterbeklagte eine Stellung als hinter dem Prospekt stehende Person und damit eine Erfassung vom Anwendungsbereich der Haftung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. zu bejahen sein. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass gerade die Stellung als Gründungsgesellschafterin der Beteiligungsgesellschaft, eine Beteiligung an deren Geschäftsführung, gegebenenfalls vermittelt durch eine erhebliche gesellschafterliche Beteiligung an der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft, eine Verflechtung auch in der Form einer Schwestergesellschaft mit der prospektverantwortlichen Gesellschafterin und zudem auch die Stellung als Treuhandkommanditistin der Beteiligungsgesellschaft Umstände sind, die eine solche Veranlasserstellung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. begründen (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 25, BGHZ 228, 237; Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 24, WM 2021, 2386), wobei der Bundesgerichtshof ausdrücklich ausgeführt hat, dass insoweit die Stellung als Gründungsgesellschafter, auch als Kommanditist, bereits ausreicht (siehe BGH, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 24, WM 2021, 2386). Vorliegend ist die Beklagte nicht nur Gründungsgesellschafterin und Treuhandkommanditistin der Beteiligungsgesellschaft, sondern sie war nach den Prospektangaben auch als Schwestergesellschaft gesellschafterlich verflochten mit der HCI Immobilien Consult GmbH, die das Beteiligungskonzept entwickelt hatte, der HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft für Immobilien mbH als der mit dem Vertrieb der Anlage betrauten Anbieterin und der Hanseatische Immobilienfonds USA II Verwaltungsgesellschaft mbH als der persönlich haftenden Gesellschafterin der Fondsgesellschaft. Damit ist, auch ohne dass es auf eine Mitwirkung der Musterbeklagten gerade bei der Gestaltung des Prospektes ankäme, wegen ihrer gesellschaftsrechtlichen Einbindung und zusätzlich ihrer Funktion in der Umsetzung dieses Fondskonzepts als Treuhandkommanditistin, woran sie ein wirtschaftliches Eigeninteresse jedenfalls aufgrund der nach dem Prospekt vorgesehenen Vergütungen nach dem Treuhandvertrag hatte, eine Stellung der Musterbeklagten als hinter dem Prospekt stehende Person zu bejahen.

b. Da die Musterbeklagte nach den vorstehenden Ausführungen den Regelungen einer gesetzlichen Prospekthaftung nach § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG a.F. unterfallen sein dürfte, dürfte eine Haftung der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn nicht gegeben und das Feststellungsziel zu Ziff. 2 damit unbegründet sein.

Im Anwendungsbereich einer spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung ist nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Haftung der Gründungsgesellschafter für etwaige Prospektfehler nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinn auf der Grundlage der Regelungen zur Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB) grundsätzlich ausgeschlossen (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 26, BGHZ 228, 237; Beschluss vom 27.04.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 4, AG 2021, 707; Beschluss vom 08.06.2021 – XI ZB 22/19, juris Rn. 31, WM 2021, 1479; Beschluss vom 21.09.2021 – XI ZB 9/20, juris Rn. 31, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 21, WM 2021, 2386; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20, juris Rn. 18; siehe so auch bereits BGH, Beschluss vom 23.10.2018 – XI ZB 3/16, juris Rn. 55, BGHZ 220, 100). Der Bundesgerichtshof hat dies damit begründet, dass, wenn diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben den Regelungen der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung ohne jede Einschränkung zur Anwendung kämen, die gesetzgeberische Entscheidung vollständig leerliefe, dem Gründungsgesellschafter als Veranlasser im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsenG a.F. die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsenG a.F.), und seine Haftung einer besonderen kurzen Verjährungsfrist zu unterwerfen (§ 46 BörsenG a.F.) (siehe BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – XI ZB 35/18, juris Rn. 26, BGHZ 228, 237). Der Senat hat sich dieser Auffassung bereits unlängst angeschlossen (siehe Hanseatisches OLG in Bremen, Urteil vom 24.11.2021 – 1 U 6/21, juris Rn. 40, AG 2022, 80).

2. Wegen der Unbegründetheit des Feststellungsziels zu Ziff. 2 dürften auch die weiteren Feststellungsziele zu Ziff. 1 und Ziff. 3 für gegenstandslos zu erklären sein.

Es dürfte an einem Sachentscheidungsinteresse für diese Feststellungsziele fehlen, weil sie für sämtliche der ausgesetzten Verfahren nicht mehr entscheidungserheblich sind, da sie ausschließlich auf eine Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinn bezogen sind und eine solche Haftung der Musterbeklagten nach den vorstehenden Ausführungen zum Feststellungsziel zu 2. nicht begründet ist. Ist aufgrund der bisherigen Ergebnisse der Prüfung im Musterverfahren festzustellen, dass eine Haftung der Musterbeklagten aus Prospekthaftung im weiteren Sinne wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, dann fehlt es an einem Sachentscheidungsinteresse für Feststellungsziele, die auf einzelne Voraussetzungen der Prospekthaftung im weiteren Sinne wie das Vorliegen von Prospektfehlern (hier das Feststellungsziel zu 1.) oder das Verschulden der Musterbeklagten (hier das Feststellungsziel zu 3.) bezogen sind (siehe BGH, Beschluss vom 12.10.2021 – XI ZB 26/19, juris Rn. 28, WM 2021, 2386; Beschluss vom 11.01.2022 – XI ZB 11/20, juris Rn. 27). Hinsichtlich des Feststellungsziels zu 3. ist das dem Oberlandesgericht vorgelegte Musterverfahren ausdrücklich auf eine Prospekthaftung im weiteren Sinne bezogen, auch die mit dem Feststellungsziel zu 1. begehrte Feststellung des Vorliegens verschiedener Prospektfehler ist nach den weiteren Ausführungen in den Gründen des Vorlagebeschlusses ausschließlich auf Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bezogen.

gez. Dr. Schromek gez. Dr. Böger gez. Karla