Aus dem BundesAnzeiger geplaudert
Anzeige:

Aus dem Bundesanzeiger geplaudert

Im Bundesanzeiger erscheint eine Menge an Bekanntmachungen. Außer denen im sogenannten "Amtlichen Teil" sind sie aber nicht direkt verlinkbar und auch über Suchmaschinen nicht aufzufinden. Dabei finden sich darunter oft Informationen, die man sonst nirgends findet, etwa zum Stand aktienrechtlicher Gerichtsverfahren. Einige Bekanntmachungen aus dem Bundesanzeiger, die ich für interessant halte, gebe ich daher - teils gekürzt und immer mit eigener Überschrift - in diesem Blog wieder, wobei ich sicher auch gelegentlich eigene Anmerkungen dazu haben werde. Soweit es sich um Texte aus dem Bundesanzeiger handelt, tragen sie das Datum der Veröffentlichung dort, nicht das Datum, an dem ich sie hier eingetragen habe. Unten finden Sie die neuesten Texte, einen Gesamtüberblick erhalten Sie hier.

DatumTitel
22.09.2023Aus dem Handelsregister geplaudert: Erfolgreiche Anfechtungsklage gegen Satzungsänderung bei der CODIXX AG
Der folgende Urteilsvolltext stammt anders als die meisten Texte hier nicht aus dem Bundesanzeiger, sondern aus den für die Beklagte zum Handelsregister (AG Stendal HRB 111088) eingereichten Unterlagen. Dort ist er noch besser versteckt als im Bundesanzeiger, so dass er gut in diese Dokumentation passt.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung das Aktiengesetz teils mit "AktG", teils aber auch als "AG" abgekürzt. In der Wiedergabe hier wurde einheitlich die Abkürzung "AktG" verwendet.


Landgericht Magdeburg

verkündet laut Protokoll am 16.12.2022 Geschäfts-Nr.: 31 O 61/22 *043*

Im Namen des Volkes! Urteil

In dem Rechtsstreit

persönliche Daten entfernt

- Klägerin -

gegen

CODIXX AG, Steinfeldstr. 3, 39179 Barleben,

vertreten durch a) den Vorstand, bestehend aus persönliche Daten entfernt

b) den Aufsichtsrat, bestehend aus persönliche Daten entfernt

hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Semmler, den Handelsrichter Hoffmann und den Handelsrichter Haase auf die mündliche Verhandlung vom 15.11.2022 für Recht erkannt:

Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22.08.2022 gefasste Beschluss zu Punkt 6. der Tagesordnung (Beschlussfassung über die Änderung von § 5 Abs. 3 der Satzung) wird für nichtig erklärt. .

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Beschlussanfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss.

Die Klägerin des führenden Verfahrens (31 O 61/22) und die Metropol-Vermögensverwaltungs- und Grundstücks-GmbH (Klägerin im verbundenen Verfahren zum Aktenzeichen: 31 O 63/22) haben jeweils Beschlussanfechtungsklage gegen den im Tenor genannten Beschluss erhoben. Mit Beschluss vom 10.11.2022 hat das Gericht beide Verfahren miteinander verbunden gemäß § 246 Abs. 3 Satz 6 AktG.

Die Klägerin Name entfernt und auch die Metropol-Vermögensverwaltungs- und Grundstücks- GmbH sind Aktionäre der Beklagten. Die Beklagte befasst sich mit der Produktion und Vermarktung von Informations- und Datenverarbeitungstechnologie und hat ihren Sitz in Barleben. Das Grundkapitäl der Beklagten beträgt 3.850.000,00 € undist auf 3.850.000,00 € auf den Inhaberlautendende Stückaktien aufgeteilt.

Mit Einladung im elektronischen Bundesanzeiger vom 15.07.2022 und per Flyer lud die Beklagte ihre Aktionäre zu einer Hauptversammlung ein, in der unter Tagesordnungspunkt 6. ein Beschluss über die Änderung von § 5 Abs. 3 der Satzung angekündigt war. In der Einladung (K1 und B1) heißt es hierzu, dass der Aufsichtsrat empfehle, die Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder auf vier Mietglieder zu reduzieren.

Weiter heißt es:

„Der Aufsichtsrat schlägt vor, folgenden Beschluss zu fassen:

„Der § 5 Abs. 3 (Zusammensetzung des Aufsichtsrates) der Satzung wird wie folgt neu gefasst:

(3) Der Aufsichtsrat besteht aus vier Personen.“

In der Hauptversammlung, an der die Klägerinnen beider Verfahren nicht teilnahmen und auch nicht durch Dritte vertreten wurden, wurde der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 6 mit 2.636.992 Ja-Stimmen gefasst. Die Beschlussfassung wurde festgestellt. Widersprüche gegen die Beschlussfassung wurden während der Hauptversammlung nicht geäußert.

Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, der gefasste Beschluss sei nichtig, weil er nur vom Aufsichtsrat, nicht aber auch vom Vorstand vorgeschlagen wurde. Sie meinen, gegen die Verminderung der Anzahl der Aufsichtsräte bestehen auch inhaltliche Bedenken wegen des ehelichen Verhältnisses zwischen Frau Name entfernt, die im November 2021 neben ihrem Ehemann, Name entfernt, zum Vorstand der Beklagten bestellt wurde. Vor diesem Hintergrund sei eine gesteigerte Überwachung durch den Aufsichtsrat nötig und die Verminderung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder untunlich.

Die Klägerinnen beantragen:

Der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 22.08.2022 gefasste Beschluss zu Punkt 6. der Tagesordnung (Beschlussfassung über die Änderung von § 5 Abs. 3 der Satzung) wird für nichtig erklärt, hilfsweise dessen Nichtigkeit, höchsthilfsweise dessen Unwirksamkeit festgestellt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, bei dem Fehlen des Beschlussvorschlages (auch) durch den Vorstand in der Einladung handele es sich um ein bloßes Schreibversehen.

Die Verringerung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder sei schon seit längerer Zeit Thema bei der Beklagten gewesen, nämlich schon, als Herr Name entfernt habe ausscheiden wollen. Der Vorstand und der Aufsichtsrat seien sich immereinig gewesen, gemeinsam die Anpassung auf nur noch vier Aufsichtsratsmitglieder vorzuschlagen. Hierüber sei auch während der Hauptversammlung gesprochen worden, insbesondere der Vorstand Name entfernt habe im Bericht an die Hauptversammlung begründet, warum Aufsichtsrat und Vorstand der Beklagten die Reduzierung der Aufsichtsratsmitglieder vorschlage.

Sie meint, die Klage sei zum einen wegen Verspätung unzulässig, zum anderen wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Bei dem von ihr so bezeichneten Schreibfehler handele es sich um ein marginales Versäumnis. Würde der Klage stattgegeben, hätte dies einen enormen Aufwand für die Beklagte zur Folge, der jedoch nicht im Aktionärsinteresse stehe. Der "Formfehler" habe auch keine Relevanz für das Beschlussergebnis gehabt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Das angerufene Gericht ist gemäß § 246 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 AktG örtlich und funktional zuständig, weil die Beklagte ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Magdeburg hat. Die Klägerinnen haben auch das notwendige Rechtsschutzinteresse, weil sie mit der Beschlussanfechtungsklage die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses anstreben, die nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

Die Beklagte kann gegendie Zulässigkeit der Klage auch nicht mit Erfolg einwenden, dass diese rechtsmissbräuchlich sei, weil beide Klägerinnen, die aus demselben Lager stammten, jeweils Klage eingereicht haben, statt dass eine der beiden Klägerinnen im anderen Verfahren als Nebenintervenientin dem Rechtsstreit beigetreten sei. Die Klägerinnen haben zwar beide mit Schriftsätzen, die auf den 22.09.2022 datiert sind, Beschlussanfechtungsklage erhoben. Die Klageschrift der Klägerin Name entfernt ist jedoch bereits am 15.09.2022 beim Landgericht eingegangen, was für eine falsche Datierung der Klageschrift spricht. Beide Klageschriften wurden in der Zeit vom 15.10.2022 bis 18.10.2022 zugestellt. Die Klägerinnen haben unterschiedliche Prozessbevollmächtigte bei Klageeinreichung gehabt. Aus alledem ergeben sich keine genügenden und ausreichenden Hinweise auf einen Rechtsmissbrauch, selbst wenn die Klägerin Name entfernt als Aufsichtsratsmitglied der Alleingesellschafterin der Klägerin Metropol-Vermögungsverwaltungs- und Grundstücks-GmbH ist und insofern eine wirtschaftliche Verflechtung vorliegt.

Die Klage ist auch begründet.

Sie ist nicht verspätet im Sinne von § 246 Abs. 1 AktG erhoben worden. Der angefochtene Beschluss stammt vom 22.08.2022. Für die am 15.09.2022 eingegangene Klage waren die Kosten seit 13.10.2022 gedeckt. Am selben Tage erging die richterliche Verfügung. Die Zustellung erfolgte am 18.10.2022. In dem führenden Verfahren ging die Klage am 22.09.2022 bei Gericht ein. Der Vorschuss war am 05.10.2022 gezahlt. Nach richterlicher Verfügung vom 11.10.2022 wurde die Klage am 15.10.2022 zugestellt. In beiden Fällen erfolgte die Zustellung "demnächst" im Sinne von § 167 Abs. 1 ZPO, so dass die Rechtshängigkeit am 15.09. bzw. 22.09.2022 als bewirkt galt und damit innerhalb der Monatsfrist aus § 246 Abs. 1 AktG gegeben war.

Beide Klägerinnen sind gemäß § 245 Nr. 2 AktG anfechtungsbefugt, weil sie zur Hauptversammlung nicht erschienen waren und sich nicht vertreten ließen. Sofern die Beklagte bestreitet, die Klägerin Name entfernt sei langjährige Aktionärin gewesen, ist dies für die Anfechtungsbefugnis nach § 245 Nr. 2 AktG nicht erheblich. Auch die weitere Voraussetzung aus § 245 Nr. 2 AktG liegt vor, denn der Gegenstand der Beschlussfassung war nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht. Die Bekanntmachung in dem Einladungsflyer und in der elektronischen Anzeige im Bundesanzeiger verstößt gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG, weil der Beschlussvorschlag des Vorstands der Beklagten fehlt. Dies ergibt sich aus der Formulierung in der Anlage K 1, wo es zu TOP 6 an zwei Stellen heißt, dass der Aufsichtsrat empfehle bzw. vorschlage; der Vorstand wird dort nicht erwähnt. Dasselbe ist aus der Anlage B 1 ersichtlich. Ob es sich hierbei - so die Beklagte - um ein Versehen und einen marginalen Formverstoß handelt, kann dahinstehen. § 124 Abs. 3 AktG verlangt keine beliebige Publizität. Insbesondere reicht nicht eine andere Möglichkeit von der Kenntnisnahme aus. Insofern. kommt es auf den Einwand der Beklagten, die Reduzierung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder sei im Vorfeld zu der streitgegenständlichen Hautversammlung und auch während. der Hauptversammlung besprochen worden, nicht aus. Denn die Bekanntmachung im Sinne von § 124 Abs. 3 AktG hat vor der Hauptversammlung stattzufinden (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 30.07.2014, 2 U 920/13, zitiert in Juris, Rn. 53).

Der Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil er keine Relevanz für die nachfolgende Beschlussfassung der Hauptversammlung gehabt hätte. Zwarist bei Fehlern, die auf die Entscheidung der Aktionäre erkennbar ohne Einfluss blieben, die Relevanz in der Regel zu verneinen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12.11.2001 die Relevanz des Verfahrensfehlers jedoch unmittelbar aus § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG abgeleitet und dieser Vorschrift die Wertung entnommen, dass Bekanntmachungsmängel für das Teilhaberecht der Aktionäre grundsätzlich von Bedeutung sind (BGH, Urteil vom 12.11.2001, BGHZ 149, 158; Urteil vom 20.09.2004, II ZR 288/02, zitiert in Juris, Rn. 12). Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, dass kein Aktionär. während der Hauptversammlung den Bekanntmachungsfehler gerügt hat.

Den Klägerinnen ist es auch nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf den Bekanntmachungsmangel zu berufen, denn für die Klägerinnen war nicht offensichtlich, dass auch der Vorstand - ebenso wie der Aufsichtsrat - die Reduzierung der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder vorschlagen wollte. Vielmehr haben die Klägerinnen jedenfalls im Reschtstreit Bedenken gegen die Reduzierung geäußert, die nicht von Vornherein von der Hand zu weisen sind.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen für die Kosten auf § 91 Abs. 1 ZPO, für die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 2 ZPO. Den Streitwert bemisst das Gericht mit 50.000,00 €, § 247 Abs. 1 AktG (vgl. Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.01.2004, 36 O 101/02, zitiert in Juris).

Semmler Hoffmann Haase
02.06.2023Kapitalanleger-Musterverfahren zur getgoods.de AG: Musterklägerin ausgewählt
16.05.2023Wolverhampton City Council u. a. ./​. Porsche Automobil Holding SE: Rechtsbeschwerde eingelegt
05.05.2023comdirect bank: Klage gegen Squeeze-out rechtskräftig abgewiesen
20.04.2023Kapitalanleger-Musterverfahren zur Wirecard AG: Nun auch Wirecard-Insolvenzverwalter als Musterbeklagter
16.03.2023CODIXX: Landgericht Magdeburg gibt Anfechtungsklage gegen Satzungsänderung statt, Berufung eingelegt
22.09.2022CECONOMY AG: Klage gegen Entlastung von Vorstandsmitgliedern rechtskräftig abgewiesen
05.09.2022Kapitalanleger-Musterverfahren HCI Shipping Select XVII: Rechtsbeschwerde eingelegt
26.08.2022HCI Deep Sea Explorer GmbH & Co. KG: Rechtsbeschwerde gegen Musterentscheid eingelegt
25.08.2022Hanseatische Immobilienfonds USA II GmbH & Co KG: Rechtsbeschwerde eingelegt
26.07.2022Lloyd Fonds Flottenfonds XI: Musterfeststellungsanträge abgewiesen
05.07.2022Lignum Sachwert Edelholz AG: Trotz unterschiedlicher Prospektfassungen nur eine Musterklägerin bestimmt
04.07.2022Wolverhampton City Council ./. Porsche Automobil Holding SE: Weitere Feststellungsziele im Kapitalanleger-Musterverfahren
29.06.2022MPC Global Opportunity Private Placement GmbH & Co. KG: Rechtsbeschwerde gegen Musterentscheid eingelegt
13.06.2022Vierundsechzigste IFH geschlossener Immobilienfonds für Holland GmbH & Co. KG: Musterentscheid stellt teilweise Unrichtigkeit des Prospekts fest
13.06.2022NORDCAPITAL Offshore Fonds 4 GmbH & Co. KG: Musterentscheid - Feststellungsziele sind gegenstandslos
16.05.2022Sachwerte Rendite Fonds Indien GmbH & Co. KG: Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen, Beklagte nicht passivlegitimiert
16.05.2022MS „Hammonia Korsika“ Schifffahrts GmbH & Co. KG: Anträge im Kapitalanleger-Musterverfahren zurückgewiesen
13.05.2022Sachwert Rendite-Fonds Indien 2 GmbH & Co. KG: Anträge im Kapitalanleger-Musterverfahren zurückgewiesen
09.05.2022HCI Shipping Select XVII: Musterfeststellungsanträge zurückgewiesen